Wer als Kunde der Deutschen Bahn im Bordrestaurant ein Essen verzehrt, bekommt grundsätzlich die Chance, bei der Nahrungsaufnahme auch etwas Gutes zu tun. In der Speisekarte findet sich jedenfalls der Hinweis: „Mit jedem bestellten Gericht gehen 10 Cent an den Bergwaldprojekt e. V.“.Bei der vorletzten Fahrt des Wochenrückblickschreibers erledigte sich allerdings die Frage, wo denn die begünstigten Bergwälder liegen, denn wegen des populären Bahn-Features _heute reduziertes Speiseangebot _gab es kein einziges 10-Cent-Zuschlagsgericht.
Ist Gewalt womöglich das einzige, was den peripheren Franzosen endlich Aufmerksamkeit verschafft? Archi W. Bechlenberg geht durch das vorweihnachtliche Paris – und erkennt seine Lieblingsstadt kaum wieder
Da ist dieses Bild, eingefangen von einer Livekamera aus ein paar Metern Höhe. Man sieht die weihnachtlich-prachtvoll geschmückten Bäume der Champs-Elysées, ungezählte Lichter blinken in pink und weiß. Und unter den Bäumen bewegen sich Menschen, in gelben Westen, stehen in kleinen Gruppen zusammen oder zu zweit oder einzeln, drehen sich um sich selber, warten, erwarten. Nein, sie sind nicht zum Weihnachtsbummel unterwegs. Ihnen geht es ums Ganze.
Es gibt eine neue mediale Wendung für Angriffe auf Personen, die ersatzweise dann greift, wenn der jeweiligen Person keine Vorwürfe zu machen sind. Beziehungsweise, wie es in diesem Neusprech heißt, keine direkten Vorwürfe. Oder wenn Recht verweigert wird. Ganz allgemein: wenn Moral Rechtsnormen ersetzen soll.
In der Berichterstattung über den Brexit-Streit – zumindest in Deutschland – wird meist kaum oder nur sehr verschwommen deutlich, worum es zwischen den Verfechtern eines harten Brexit (no deal) und eines Exit-Vertrags mit der EU geht. Dabei ist dieser Kern gar nicht schwer zu verstehen.
Vor einigen Tagen fuhr ich nach Prag, um dort mit Matthias Matussek und dem CSU-Politiker Martin Kastler am Cevro-Institut über die Zukunft des Konservatismus zu diskutieren. Bei dem Cevro-Institut handelt es sich um eine private Hochschule mit einer recht internationalen Studentenschaft. Zukunft des Konservatismus, das Thema interessierte mich. Es berührt meine Ansichten als Libertärer, ohne sich mit ihnen ganz zu decken.
Kurz vor der Entscheidung in Hamburg fragte die Autorin Jana Hensel in der Maybritt-Illner-Runde klagend, warum sich keiner der Bewerber für den CDU-Vorsitz positiv auf Merkels Erbe beziehe. Nun wäre die naheliegende Antwort: Weil ihr Erbe nicht besonders positiv ist. Ansonsten hätte sie ja als Vorsitzende weitermachen können. Ihr Dogma lautete fast 13 Jahre lang, dass Kanzlerschaft und Parteivorsitz in eine Hand gehören.
Erster Advent, oder, wie es heute heißt: mit einer Kerze 200 Mikrogramm Stickstoffoxid pro Kubikmeter auf relativ kleinem Raum erzeugen. Bekanntlich handelt es sich bei dem Einkerzenkranz nur um des schrecklichen Anfang, aber auch 200 Mikrogramm sind schon das Fünffache des Grenzwertes für den Straßenverkehr, bei dessen geringfügiger Überschreitung in Deutschland ohne Zögern eine halbe Innenstadt oder eine Ruhrgebietsautobahn für ältere Diesel gesperrt wird.
„Hass-Mail für dich“ titelte die „Berliner Zeitung“ am 28. November. Es ging um ein medial sehr häufig behandeltes Thema: Attacken auf Berufspolitiker. Das weite Feld wird von dem Blatt allerdings in bewährter Weise abgehandelt: Der Hass, so bringen es die Schwerpunktseiten im Zeitungsinneren dem Leser nahe, kommt nur von Rechts.
Ihren Text «Rausch und Reinheit» habe ich heute auf der Achse des Guten gelesen, und ich verdanke Ihnen die Lösung eines Rätsels. Ich bin Schriftstellerin, Jahrgang 42, DDR-Gewächs und als solches schon vor 1989 unrühmlich aufgefallen. Vor zwei drei Monaten klickte ich in meinem Wikipedia-Eintrag aus Zufall auf «Diskussion» und fand dort den Eintrag, daß ich zu den Unterzeichnern der Erklärung 2018 gehöre. Große Verwunderung, was das soll. Jetzt weiß ich, was das soll und wundere mich auch nicht mehr über die «Zurückhaltung» der Leute im Literaturgeschäft, seien es Verlage oder Buchhandlungen. Was Sie über «rechte Bücher» in Buchhandlungen schreiben, trifft auch auf Bibliotheken zu, so in Potsdam 2017. Dazu schrieb ich einen Leserbrief, den die Potsdamer Neuesten Nachrichten auch veröffentlichten: Leserbrief «Ich habe den Bericht „Umstrittene Bücher in der Bibliothek“ (PNN, 27. 12.) mehrmals gelesen, weil ich nicht glauben wollte, was da stand. Es war wie ein déjà vu – Erlebnis. In welchem Land, in welcher Stadt, in welcher Zeit lebe ich eigentlich, fragte ich mich verwundert. Mein Mann, gelernter Bibliothekar, hat die Verbreitung des Braunbuchs über den Reichstagsbrand 1933 mit vier Jahren Zuchthaus, anschließend KZ und Strafbataillon bezahlt. In der DDR wurde er wegen seines Einsatzes für Meinungsfreiheit mehrmals schwer gemaßregelt und starb schließlich nach seinem letzten Parteiverfahren wegen der Einfuhr von Büchern wie Solshenizyns „Archipel Gulag“ und Rosa Luxemburgs „Die russische Revolution“ an einem Herzinfarkt. Als Studentin der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Uni scheiterte ich regelmäßig an dem „Giftschrank“ der Staatsbibliothek, wenn ich Bücher wie Egon Friedells „Kulturgeschichte der Neuzeit“ oder Titel von Arnold Toynbee entleihen wollte. Weder der Nationalsozialismus noch der Sozialismus gewährten die Freiheit der Gedanken, der Rede, der Presse. „Freiheit des Andersdenkenden“ war eine Hauptforderung der Bürgerbewegung in den achtziger Jahren, die wir mit dem Mauerfall endlich, endlich erreicht zu haben glaubten. Und jetzt kommen wieder wie einst sich als Volkserzieher aufspielende Ideologen daher, die uns diesmal im Namen von Toleranz und Demokratie das Denken abgewöhnen und uns vor dem „Bösen“ bewahren wollen. Bücher, die ihrer beschränkten Weltsicht widersprechen, werden einfach als rechtsextrem verteufelt. Von dem italienischen Schriftsteller Ignazio Silone (1900-1978) stammt das Wort: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‘Ich bin der Faschismus.’ Nein, er wird sagen: ‘Ich bin der Antifaschismus.´» Sigrid Grabner»
Lieber Herr Wendt, ich hätte mir 1990 nicht träumen lassen, wohin die Reise im vereinigten Deutschland geht. Die Demokratie im Würgegriff wahnsinnig gewordener Ideologen. Ich bin inzwischen alt, und wenn ich nicht mehr gedruckt und zu Lesungen eingeladen werde, kann ich damit leben. Die noch verbleibende Spanne ist überschaubar. Sie aber sind noch jung. Bleiben Sie standhaft, machen Sie weiter. Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen Kraft. Ihnen herzlich verbunden Sigrid Grabner
Publico:_ Der von Linkspartei-Kultursenator Klaus Lederer und Kulturstaatsministerin Monika Grütters gefeuerte Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe hatte sich vergangene Woche auf seinen Posten zurückgeklagt – was Lederer mit der Einsetzung eines neuen Direktors und anderen Maßnahmen zu durchkreuzen sucht. Wie beurteilen Sie diesen Gedenkstätten-Krieg?
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Vaatz: Mit der Entlassung Knabes soll ein Enthauptungsschlag gegen die Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen geführt werden.
„Ich freue mich, dass ich mich ab Montag wieder meiner Lebensaufgabe widmen kann: der Aufarbeitung des in der DDR begangenen Unrechts.“ Mit dieser Ankündigung kommentiert Hubertus Knabe am Sonntag eine einstweilige Anordnung des Landgerichts Berlin, die den Bund und das Land zwingt, den gefeuerten Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen ab sofort wieder zu beschäftigen. Am Donnerstag vergangener Woche hatte das Gericht die sofortige Weiterbeschäftigung des Historikers verfügt und für den Fall der Zuwiderhandlung eine Geldbuße von 25 000 Euro oder Ersatzhaft angedroht. Bund und Land tragen je zur Hälfte die Stiftung Hohenschönhausen, Berlins Kultursenator Klaus Lederer von der Linkspartei sitzt dem Stiftungsrat vor.
Sie trauten sich: Vor einigen Wochen kamen Tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke von der ARD und ZDF-Chefredakteur Peter Frey zu einer Diskussionsveranstaltung der AfD nach Dresden.
Für diesen Schritt nannten sie ein verständliches Motiv – nämlich die Tatsache, dass es sich bei AfD-Wählern und deren Sympathisanten in Ostdeutschland zum einen um eine relative Mehrheit handelt, zum anderen aber auch um GEZ-Zahler. Sie stellten sich also der Debatte inklusiver bohrender Fragen aus dem Publikum. Dafür verdienen sie erst einmal Respekt. Vor allem formulierten sie ein Versprechen: In ihren Sendern sollen politische Strömungen angemessen berücksichtigt werden. Nachricht und Meinung sei strikt zu trennen. Man wolle die Zuschauer nicht belehren. Publico fasst die wichtigsten Bekenntnisse der Dresdner Runde – insgesamt zwölf – zu einem kleinen Videohandbuch für die öffentlich-rechtlichen Medienmacher und ihr Publikum zusammen.
Wer im real existierenden Programm den einen oder anderen Punkt entdeckt, der nicht ganz zu dieser Selbstverpflichtung passt, der sollte also weder mit Häme noch Schimpf reagieren. „Die Zwölf Gebote der Öffentlich-Rechtlichen“ gibt jedem dein Werkzeug, um die Sender beim Wort zu nehmen. Am Ende steht noch ein 13. Gebot für das Publikum: Freundlich und höflich bleiben.
Ein besserer öffentlich-rechtlicher Rundfunk nützt wirklich allen.
Die „Erklärung der Vielen“ gegen „Rechtspopulismus“ wurde auch von der Dresdner Semperoper unterschrieben. Genaugenommen: nur von ihrem Intendanten. Die Mitarbeiter hatte niemand gefragt
Am 9. November 2018 veröffentlichten 40 Dresdner Kulturinstitutionen die „Dresdner Erklärung der Vielen“, die sich ihrem Text zufolge gegen Rechtspopulismus in Sachsen richten soll. Als gewichtige Institutionen von Weltrang reihte sich auch die Semperoper Dresden mit ihren 500 Mitarbeitern auf der Liste der 40 ein. Zur Semperoper gehört die Staatskapelle Dresden, das Orchester des Hauses, geleitet von Dirigent Christian Thielemann. Als die Erklärung erschien, befand sich die Staatskapelle auf Tournee.
Am 10. November verlasen in Deutschland verschiedenen Kulturschaffende vor verschiedenen Theatern ein Manifest von Ulrike Guérot und Robert Menasse, in dem das progressive Spitzenpaar die Ära der Nationalstaaten für beendet erklärte und die Vereinigten Staaten von Europa ausrief. Es ist also schon passiert, der Kas bissen, der Drops gelutscht, eigentlich nur bemerkt von Ulrike Guérot, Robert Menasse, einer recht schütternen Masse von Anwesenden vor den Theatern und dem politischen Qualitätsfeuilleton.
In Frankreich und Belgien breitet sich die Bewegung der Gilets Jaunes aus – als Massenprotest gegen hohe Spritpreise, vor allem eine Dieselsteuer. Kommt die Wutwelle nach dem Diesel-Fahrverbot im Ruhrgebiet auch in Deutschland an? Von Archi W. Bechlenberg, Belgien
Jacline Mouraud gehört seit einigen Tagen zu den bekanntesten Frauen Frankreichs. Ihre Wutrede – vier Minuten und 38 Sekunden, aufgenommen mit ihrem Mobiltelefon – klickten innerhalb kürzester Zeit sechs Millionen Franzosen an. «Vor zehn Jahren habt Ihr uns dazu gebracht, Diesel zu kaufen, weil sie als umweltfreundlicher galten», schleudert die Bretonin dort Präsident Emmanuel Macron entgegen. Und jetzt wolle der Präsident die Dieselfahrer mit einer saftigen Steuererhöhung abkassieren.
„Der Beitrag bleibt offensichtlich absichtlich vage. Welche «internationalen Gerichte» sollen die Bundesrepublik bitte dazu zwingen, irgendetwas aus dem GCM umzusetzen? Wenn es so leicht ist, Juristen zu finden, die die eigene Meinung bestätigen, warum präsentieren Sie dann hier keinen?“