Politiker suchen nach einem Weg, Platz in den überfüllten Gefängnissen zu schaffen. Den Grund kennen sie jedenfalls schon: zu viele Bürger zahlen ihr Bahnticket nicht
Deutschlands Gefängnisse sind überfüllt wie nie. Mehrere Justizpolitiker haben nicht nur das Problem erkannt, sondern auch den Grund. Und sie unterbreiten auch gleich einen Lösungsvorschlag: In den Haftanstalten sitzen zu viele nicht zahlungswillige Schwarzfahrer ihre so genannte Ersatzfreiheitsstrafe ab. Würde Schwarzfahren („Leistungserschleichung“) nicht mehr als Straftat gewertet, sondern nur als Ordnungswidrigkeit, dann, so Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach (CDU), gäbe es endlich die dringend nötige Entspannung in den Knästen.
Dieser Idee schließen sich mehr und mehr Politiker anderer Bundesländer an. Der Vorschlag ist nicht uninteressant. Konsequenterweise sollte dann übrigens auch die Erzwingungsstrafe für alle fallen, die ihre GEZ-Gebühr nicht zahlen wollen. Aber die Frage, ob sich dann die Gefängnisse wieder dem Normalzustand nähern würden, lässt sich am besten mit Statistik beantworten. In Sachsen, das musste Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) kürzlich einräumen, befindet sich von zehn Landesgefängnissen nur eins nicht im roten Bereich. Als überfüllt gilt ein Gefängnis schon ab 90 Prozent Auslastung, aber für vier Anstalten in Sachsen trifft selbst das nicht mehr zu: sie sind zu über 100 Prozent gefüllt, die JVA Chemnitz nach Angaben des Ministeriums zu 106 Prozent. Der Grund dafür lässt sich ziemlich leicht feststellen: in Sachsen liegt der Anteil der Nichtdeutschen an der Bevölkerung bei etwa drei Prozent, der Anteil an den Gefangenen aber bei 28 Prozent.
In NRW bewegte sich der nichtdeutsche Bevölkerungsanteil etwa bei 12 Prozent (2015: 11, 8 Prozent, danach hatten die Behörden ein wenig die Übersicht verloren). In den Haftanstalten machen sie 36 Prozent aus. Nach Angaben des Chefs des Bundes der Strafvollzugsbediensteten René Müller sieht es derzeit fast flächendeckend so aus: übervolle Haftanstalten, ein weit überdurchschnittlicher und vor allem seit 2015 stark angestiegener Anteil nichtdeutscher Gefangener. Mit anderen Worten: die Migrationswelle von 2015 und 2016 ist in den Haftanstalten angekommen.
Natürlich liegt es nicht an den zahlungsunwilligen Schwarzfahrern, dass es in den Zellen kaum noch Platz gibt. Und wer sich anschaut, auf welchen Gebieten die Kriminalität seit 2015 besonders schnell wächst – Diebstahl, Sexualstraftaten, Körperverletzung, Totschlag, Mord – der weiß auch, dass Ticketkaufverweigerer unter den Zugewanderten nicht das Hauptproblem darstellen.
Trotzdem bleibt die Frage: würde es wenigstens helfen, Schwarzfahrer aus der Haft zu entlassen und den Tatbestand zu streichen? Stand 31. März 2017 saßen in Deutschland 51 865 Menschen ein (U-Haft abgerechnet), davon nach Angaben des NRW-Justizministeriums etwa 5000 wegen Schwarzfahrens. Von den 12 412 Häftlingen in NRW waren 1215 hinter Gittern, weil sie ihre Fahrkarten nicht bezahlt hatten. Die Gesetzesänderung brächte also eine Entlastung des Vollzugssystems von zehn Prozent. Ein ziemlich großer Teil davon würde schon aufgebraucht, wenn die Justizverwaltung die Gefängnisbelegung anschließend wieder auf den Normalstand zurückführt. Für den zweiten Teil genügt ein Blick auf die Kriminalstatistik: Selbst im relativ sicheren Bayern stieg im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Zahl der Sexualdelikte um 48 Prozent, die der Sexualdelikte durch Zuwanderer um 91 Prozent. Bei einem Anteil von etwa drei Prozent an der bayerischen Bevölkerung beteiligten sich Zuwanderer 2016 mit 14 Prozent an Vergewaltigungen und sonstigen schweren sexuellen Übergriffen, in den ersten sechs Monaten 2017 schon mit 18 Prozent.
In etlichen anderen Bundesländern sehen die Zuwächse bei schweren Straftaten ähnlich aus. Vergewaltigung, Totschlag und schwere Körperverletzung führen jedenfalls nach jetzigem Stand häufiger zu U- und Strafhaft als Diebstahl und die so genannte Leistungserschleichung. Nach etwa 12 Monaten wäre es also mit dem vorübergehenden Durchlüftungseffekt der Haftanstalten durch eine Schwarzfahrer-Reform komplett vorbei.
Da eine andere Migrations- und Abschiebepolitik nach Überzeugung der meisten Bundes- und Landespolitiker nicht möglich ist und das Unmögliche per Definition nur unvernünftig sein kann, wird die Einführung des ticketlosen Fahrens am Ende wahrscheinlich alternativlos sein.
_Säulen der Gesellschaft, Yorckstraße, Berlin_
Es ist leicht, über Berlin zu schreiben. Der Autor geht ein paar Schritte, und ohne, dass er die Situation überstrapazieren müsste, stößt er auf ein Sinnbild. In der Stadt mag das eine oder andere fehlen, verglichen mit anderen Städten. Aber an exemplarischen Stellen existiert ein Reichtum, der notfalls für 100 Jahre Bloggen reicht.
Es gibt eine neue Farbe in der deutschen Medienlandschaft: Die Neue Zürcher Zeitung dehnt ihre Deutschlandberichterstattung deutlich aus. Der Journalist Marc Felix Serrao, ehemals Süddeutsche Zeitung und FAS, etablierte in diesem Jahr das Berliner Redaktionsbüro der Schweizer. NZZ-Chef Eric Gujer hatte schon vor einiger Zeit darüber gesprochen, dass er mit seinem Blatt auf das mittlerweile so gut wie leere Feld des liberal-konservativen Tageszeitungsmarkts im Nachbarland vorstoßen will.
Vom dezidiert linken Tagesanzeiger gibt es dazu eine besondere Werbung für die Konkurrenz.
In tiefer Sorge registriert der Tagesanzeiger nämlich, dass bei der NZZ ohnehin schon seit längerem Cora Stephan schreibt, „die Lieblingsfeuilletonistin der AfD“. Als Beleg dafür, dass die NZZ gefährlichsten Tendenzen in Deutschland Vorschub leistet, dient ihr zweitens die Tatsache, dass der Hamburger Medienanwalt Joachim Steinhöfel die Schweizer Zeitungen als „neues Westfernsehen“ in Deutschland lobte, dabei aber eher nicht den Tageanzeiger meinte. Steinhöfel nämlich, weiß das Blatt, unterhalte „beste Kontakte in die neurechte Szene“. Übrigens auch in die FDP-Szene – kürzlich interviewte er für seinen Blog Christian Lindner. Und auch in die Grünen-Szene: mit dem grünen Rechtspolitiker Konstantin von Notz verbindet ihn der Kampf gegen das illiberale „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ des scheidenden Justizministers Heiko Maas.
Dem Berliner NZZ-Korrespondenten Serrao bescheinigt der Tagesanzeiger-Autor, einen schädlichen „Eifer“, mit dem er gegen die „angebliche linke Meinungsdiktatur anschreibt“, die in Deutschland natürlich keine Diktatur ist, sondern ein Zustand, in dem etwa 80 Prozent der Printmedien genau so schreiben wie der Tagesspiegel. Was auch der Grund dafür ist, dass der keine Chance auf eine Deutschland-Ausdehnung hätte.
Lapham’s Quaterly gehört jedenfalls zu dem Schönsten und Klügsten, was es in einigen ausgewählten Zeitschriftenläden zu kaufen gibt. Lewis H. Lapham, ehemaliger Editor von Harper’s Magazine, folgt seit 2007 einer konzisen Idee: vier monothematische Hefte pro Jahr, die Autoren von Laotse und Defoe und Nabokov wie Sigmund Freud und Zeitgenossen wie Jonathan Franzen, Alice Munro und John Waters so versammeln, als würden sie eine Redaktion bilden.
AfD-Wähler sind besonders anfällig für Fake-News. Das jedenfalls sagt eine Umfrage – beziehungsweise, wie es medial selbst bei Telefonumfragen heißt – eine „Studie“ der „Stiftung Neue Verantwortung“, nach eigenen Angaben eine Denkfabrik, finanziert unter anderem vom Auswärtigen Amt, der Bertelsmann-Stiftung und der Open Society Foundation von George Soros.
„Für eine neue Studie wurden Wähler nach der Bundestagswahl mit verschiedenen Fake News aus dem Wahlkampf konfrontiert.
Politiker von CDU, Grünen und SPD würden gern das Wahlrecht auf Ausländer ausdehnen. Gelingt der Plan, dann würde sich das Land stärker ändern als durch die Migrationswelle
In den Verhandlungen der Jamaika-Koalitionäre geht es besonders heftig beim Thema Migration zu: Darf es eine Obergrenze geben? Wie viel Familiennachzug verkraftet das Land? Im Schatten dieser Auseinandersetzung formieren sich Politiker eher linker Parteien für eine Debatte, die in den nächsten vier Jahren aufbrechen und Deutschland möglicherweise noch mehr verändern dürfte als die Einwanderungswelle seit 2015.
Der britische Publizist Rupert Darwall hat nach den totalitären Wurzeln der grünen Ideologie gegraben. Demnächst erscheint sein Buch auch in Deutschland
In seinem Browstone House mit dezent verwildertem Garten in Kentish Town, London, lebt ein Autor, der in Deutschland noch völlig unbekannt ist, ganz im Gegensatz zu seiner Heimatinsel und den USA. Demnächst wird Rupert Darwall allerdings nicht mehr ganz unerkannt nach Berlin, Frankfurt und München reisen (bisher hauptsächlich, um dort Opern zu hören). Denn sein Buch „Green Tyranny Exposing The Totalitarian Roots Of The Climate Industry Complex“
erscheint demnächst auf Deutsch. Eigentlich ist es eine Recherche, die er vor allem für ein deutsches Publikum verfasst hat: sie handelt, wie schon im Untertitel angedeutet, von den totalitären Wurzeln der weltweiten grünen Bewegung. Und diese Wurzeln entdeckt Darwall vor allem in Deutschland, genauer, er gräbt sie aus. In der Bewegung und schließlich der Partei steckte nämlich von Anfang an eine ziemlich starke Blut-und-Boden-Beimischung: Zu ihren Gründungsmitgliedern gehörte etwa der Landwirt Baldur Springmann, ehemals SA- , SS- und NSDAP-Mitglied, der mühelos Ökolandbau, Mutter-Gaia-Esoterik und Club of Rome-Alarmismus miteinander zu verbinden verstand. Eine bizarre Ausnahme war Springmann nicht; Werner Vogel, 1983 Grünen-Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen für die Bundestagswahl, hatte vor 1945 als SA- und NSDAP-Kader im Reichsinnenministerium Karriere gemacht. Er stand nach der Wahl kurz davor, Alterspräsident des Bundestages zu werden, wenn seine Biografie nicht kurz vorher aufgeflogen wäre. Auf sein Bundestagsmandat verzichtete er, blieb aber Parteimitglied. Die spezielle Mischung aus Antitechnizismus, einem quasireligiösen Naturbegriff und einem Sendungsbewusstsein weit über die deutschen Grenzen („Vorreiter“) entstanden mit der Grünen-Gründung 1980 also nicht voraussetzungslos. Von der Bundesrepublik wiederum breitete sich diese Erlösungsideologie nach und nach auf andere westliche Länder aus. Heute gehört dieses Sediment der Bewegungsgeschichte selbstredend zu den Themen, die ihre Anhänger tief unten im Giftschrank lagern.
Am meisten interessiert sich Darwall für die Technik, Kritikern der grünen Ideologie – etwa des exzessiven Windradausbaus und der Antiatom-Bewegung – nicht argumentativ zu begegnen, sondern sie moralisch zu brandmarken und damit zum Schweigen zu bringen. Die deutsche Ausgabe seines Buchs trägt konsequenterweise den Titel „Das Grüne Reich“, 2018 soll sie auf den Markt kommen.
Im englischsprachigen Raum gehört Rupert Darwall schon zu den bekannten liberal-konservativen Publizisten, die – anders als in Deutschland – auch in traditionellen Medien schreiben. Der frühere Banker und politische Berater ist regelmäßig Autor des Spectator, des Wall Street Journal und veröffentlicht im National Review. Sein Buch „The Age Of Global Warming – A History“, erschienen 2013, gehört zu den besten nüchternen Bestandsaufnahmen des Klima-Alarmismus.
Mit Deutschland verbindet ihn schon lange eine amour fou zur klassischen Musik. Und deshalb beginnt das Gespräch in seinem Wohnzimmer erst einmal nicht mit der deutschen Energiewende und Angela Merkel, sondern der Aufführung von Hayns 82. Sinfonie am Abend vorher in der Royal Albert Hall. „Viel zu lasch dirigiert“, findet der Hausherr, und legt eine CD mit einer deutlich schmissigeren Version ein. Überhaupt ist Darwall frei von Ressentiment. Er analysiert stets nüchtern-freundlich und mit einem soliden Sachverstand, egal, ob es um Musik oder Ökonomie geht.
An Merkels Deutschland fasziniert ihn, wie jährlich mittlerweile fast 30 Milliarden Euro in den exzessiven Ausbau der Wind- , Biogas- und Solarenergie gesteckt werden, was bisher nur den Strompreis nach oben jagt, aber den CO2-Ausstoß nicht im mindesten drosselt. Und dass die (deutsche) Presse Angela Merkel trotzdem als „Klimakanzlerin“ feiert. „Es ist erstaunlich, wie sie damit durchkommt“, meint er.
Auf seine Buchvorstellung im Mutterland der Grünen freut er sich schon. Sein Plan für die nächsten Monate: „Ich werde ein bisschen Deutsch lernen müssen.“
„Es ist schwer erträglich, wie über das Schicksal von Menschen gefeilscht wird“, schrieb vor ein paar Tagen eine Redakteurin des „Tagesspiegel“ über die Familiennachzugs-Debatte unter den möglichen Jamaika-Koalitionären. Es handelt sich geradezu um einen idealtypischen Fall für das, was Alexander Grau in seinem Buch „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“* als den herrschenden Stil der Nichtdebatten in Deutschland beschreibt:
Seit seinem Standardwerk „Yalu“ gilt der Historiker Jörg Friedrich als einer der besten deutschen Kenner des Koreakrieges. Er hält den Atomkonflikt zwischen Kims Reich und den USA für lösbar – unter einer entscheidenden Bedingung / Interview mit Jörg Friedrich
Nehmen wir einmal an, Sie wären Sonder-Sicherheitsberater von Präsident Trump in der Korea-Frage. Was würden Sie ihm raten?
Raten? Ich würde darauf hinwirken, dass er verhaftet wird. Immerhin hat er Nordkorea vor der UN-Vollversammlung mit der völligen Vernichtung gedroht. Das heißt, er würde im Ernstfall 25 Millionen Menschen pulverisieren. Das ist nach Artikel 51 des 1. Zusatzprotokolls zur 4. Genfer Konvention ein Kriegsverbrechen.