– Publico –
Politik, Gesellschaft & Übergänge

Alte & Weise: Thomas Sowell

Original post is here eklausmeier.goip.de/wendt/2023/02-16869.


Von Alexander Wendt / / alte-weise, spreu-weizen / 5 min Lesezeit

„Viele Angehörige der politischen Linken sind so verzückt von der Schönheit ihrer Vision, dass sie die hässliche Realität nicht erkennen, die sie in der wirklichen Welt schaffen.“

Thomas Sowell

4 Kommentare
  • A. Iehsenhain
    24. Februar, 2023

    Kennt zufällig jemand «Die Geschichte vom weißen Pulver» («The novel of the white powder») von Arthur Machen? Sie handelt von einem besessenen Studenten, der in seiner Studierwut ein weißes Pulver zum Zwecke der eigenen Optimierung zu sich nimmt, ohne zu wissen, dass es sich um den «Vinum Sabbati» handelt. Im Rausch besucht er wunderschöne Landschaften und begegnet noch schöneren Geschöpfen darin. Freilich ist er nur Opfer eines üblen Zaubertanzes, währenddem Geist, Körper und Seele aufgespalten und später wieder falsch zusammengesetzt werden, was dann auch physisch zu keinem guten Ende für den bedauernswerten Studiosus führt. An diese Geschichte musste ich unweigerlich denken, als ich das Zitat von Sowell las. Ansonsten fiele mir noch «Der Zwölf-Elf» von Christian Morgenstern ein: «Der Zwölf-Elf hebt die linke Hand: Da schlägt es Mitternacht im Land» heißt es am Anfang; und es endet: «Der Zwölf-Elf senkt die linke Hand: Und wieder schläft das ganze Land.»

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Thomas
    27. Februar, 2023

    Wollust

    Die Prosagedichte der politischen Linken halte ich im Grunde für einen stummen Schrei nach Liebe für die Menschheit einerseits und einen lauten Schrei nach Hass für die politische Rechte andererseits. Für manch Ausgestoßenen bedeutet es eine Heimsuchung, für andere Leute einen Segen und politische Heimat. Der Zeilenfall macht dabei natürlich nicht das Gedicht aus.

    Mich erinnert das Zitat von Sowell an „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“. Charles Baudelaire hat für die Untiefen (auch politischer) Wollust mal diese Worte gefunden (Übertragung: Therese Robinson, © Georg Müller Verlag München, 1925):

    „Heauton Timorumenos

    Ich treff‘ ins Herz dich ohne Hassen,
    Ein Henker ohne Zorn und Pein,
    So schlug einst Moses auf den Stein!
    Und Fluten will ich strömen lassen

    Aus deinem Aug‘, ein Meer von Weh,
    Um meine Wüste neu zu tränken,
    Und stolz will ich die Wünsche lenken
    Auf deiner Tränen salziger See.

    Dein liebes Schluchzen und dein Klagen,
    Dein wilder, hoffnungsloser Schmerz
    Wird mir berauschend an das Herz
    Wie Sturm und Trommelwirbel schlagen.

    Bin ich der grelle Missklang nicht
    In diesem reinen Weltentönen
    Dank der Gewalt, die, mich zu höhnen,
    Die Seele rüttelt, reizt und sticht?

    Denn in mir ist ein Schrei voll Grauen!
    Ein Gift in mir, so schwarz und wild!
    Ich bin der Spiegel, drin ihr Bild
    Die Furien und Megären schauen!

    Ich bin die Wange und der Streich,
    Ich bin das Messer und die Wunde,
    Glieder und Rad zur selben Stunde!
    Opfer und Henkersknecht zugleich!

    Der Vampir, der sein Blut muss saugen,
    Der Einsamkeit verlorener Sohn,
    Mein Mund, verdammt zu ewigem Hohn,
    Will nimmermehr zum Lächeln taugen!“

    Das Verbot der „Blumen“ wurde in Frankreich übrigens erst 1949 aufgehoben. Seither hat sich einiges getan, im Europa der Bewegung.

    Die Wollust liebt die Mittel, nicht den Zweck. Und mancher lebt davon nicht schlecht.

    Auf diesen Kommentar reagieren

    • Werner Bläser
      3. März, 2023

      Wow! Das trifft es perfekt. Kompliment für dieses Fundstück. Danke!
      Dagegen ist mein Zitat fast banal. Ich traue mich trotzdem:
      «If you pick up a starving dog and make him prosperous, he will not bite you. This is the principal difference between a dog and a man» (Mark Twain, ‘Pudd’nhead Wilson’).
      Unsere hochgefütterte Wohlstandsjugend (FFF) kennt keine Grenzen und keinen Anstand mehr, hält sich aber für die Inkarnation des Anstands.

      Auf diesen Kommentar reagieren

      • Thomas
        4. März, 2023

        Herzlichen Dank für dieses Fundstück.

        Aber nein! Das Zitat von Mark Twain ist doch in diesem Zusammenhang nicht banal. Durchaus nicht. Mark Twain hat im Leben große Verluste erlitten, ist aber nie bitter geworden. Ich meine, das ehrt ihn. Und auch Mr. Sowell ist aus einem Holz geschnitzt, das sich aus seinem Leiden keinen Hass bastelt, sondern lieber öffentlich nachdenkt. Und zwar mit dem eigenen Gehirn.
        Gut so!

        Ja, Mark Twain. Er wäre nie auf die absurde Idee gekommen, daß geflüchtete oder eingereiste Menschen automatisch zu guten und verträglichen Menschen werden. Oder daß ein Staat dafür da wäre, eine «Menschheit» herbei zu basteln. Nun, in seiner Zeit war der politische Wahnsinn noch nicht modern. Und Mr. Sowell geht auf die hundert zu.

        Nach meinem Dafürhalten schlägt die Verzückung politischer Schönheit schlagartig in Hass um, sobald sie an die Grenzen der Realität stößt. Und diese Verzückung gibt dann den Befürwortern von Grenzen die Schuld daran, daß die Umsetzung politischer Schönheit auf Widerstand stößt. Gestern am Nockerberg konnte man das mal wieder sehr eindrucksvoll betrachten. Da kokettierte die Bewegung mal wieder fröhlich mit ihren nützlichen Helfern.

        Aber, um auf das Zitat von Mark Twain zurück zu kommen, es findet sich eben für so manches Wesen unter dem Dach organisierter politischer Schönheit ein warmes Plätzchen. Dort ist es dann in einem Maße von organisierter „Gerechtigkeit“ und „Umverteilung“ umgeben, daß es rundherum nur so duftet. Wo sich heutzutage organisierte Gerechtigkeit und Umverteilung versammelt, da raunt es freundlich „Wir“, und eine strenge Stirnfalte richtet sich auf die Ausgestoßenen. Man kennt die prinzipiellen Unterschiede ja. Zivil couragiert oder quer denkend (Nicht zu verwechseln mit queer!). Wohlgelernt.

        Übrigens ist der Sozialismus der «Grünen neuen Zeit» (nach meinem Dafürhalten) ein Kosename für kommunistische Umtriebe light – so lange er noch nicht an der Macht war. Ist er an der Macht, dann geht die Post ab. Es geht voran. Heute wird bereits wieder das Bespitzeln, insbesondere der … ausgestoßenen Bewohner, staatlich finanziert. Und zwar ganz offen und im großen Stil. Es sind wohl mal wieder große Zeiten des „Fortschritts“. Moderne Zeiten. «Menschheit». Schönheit. Verzückung. Sie lieben es und sich dafür. Horrido.

        Auweia.

        Mit freundlichen Grüßen
        Thomas

        Auf diesen Kommentar reagieren

Original: Alte & Weise: Thomas Sowell

Liebe Leser von Publico: Dieses Onlinemagazin erfüllt wie eine Reihe von anderen Medien, die in den letzten Jahren entstanden sind, eine zentrale und früher auch allgemein selbstverständliche publizistische Aufgabe: Es konzentriert sich auf Regierungs- und Gesellschaftskritik. Offensichtlich besteht ein großes Interesse an Essays und Recherchen, die diesen Anspruch erfüllen. Das jedenfalls zeigen die steigenden Zugriffszahlen.
Kritik und Streit gehören zur Essenz einer offenen Gesellschaft. Für einen zivilisierten Streit braucht es gut begründete Argumente und Meinungen, Informationen und Dokumentationen von Fakten. Publico versucht das mit seinen sehr bescheidenen Mitteln Woche für Woche aufs Neue zu bieten. Dafür erhält dieses Magazin selbstverständlich kein Steuergeld aus dem Medienförderungstopf der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, kein Geld aus dem Fonds der Bundeszentrale für politische Bildung (obwohl Publico zur politischen Bildung beiträgt) und auch keine Überweisungen von Stiftungen, hinter denen wohlmeinende Milliardäre stehen. Ganz im Vertrauen: Publico möchte dieses Geld auch nicht. Die einzige Verbindung zu diesen staatlichen Fördergeldern besteht darin, dass der Gründer des Magazins genauso wie seine Autoren mit seinen Steuern dazu beiträgt, dass ganz bestimmte Anbieter auf dem Medien- und Meinungsmarkt keine Geldsorgen kennen. Es gibt nur eine Instanz, von der Publico Unterstützung annimmt, und der dieses Medium überhaupt seine Existenz verdankt: die Leserschaft. Alle Leser von Publico, die uns mit ihren Beiträgen unterstützen, machen es uns möglich, immer wieder ausführliche Recherchen, Dossiers und Widerlegungen von Falschbehauptungen anzubieten, Reportagen und Rezensionen. Außerdem noch den montäglichen Cartoon von Bernd Zeller. Und das alles ohne Bezahlschranke und Abo-Modell. Wer unterstützt, sorgt also auch für die (wachsende) Reichweite dieses Mediums.
Publico kann dadurch seinen Autoren Honorare zahlen, die sich nicht wesentlich von denen großer Konzernmedien unterscheiden (und wir würden gern noch besser zahlen, wenn wir könnten, auch der unersetzlichen Redakteurin, die Titelgrafiken entwirft, Fehler ausmerzt, Leserzuschriften durchsieht und vieles mehr).
Jeder Beitrag hilft. Sie sind vermutlich weder Claudia Roth noch Milliardär. Trotzdem können Sie die Medienlandschaft in Deutschland beeinflussen. Und das schon mit kleinem Einsatz. Der Betrag Ihrer Wahl findet seinen Weg via PayPal – oder per Überweisung auf das Konto 
(Achtung, neue Bankverbindung!) A. Wendt/Publico DE88 7004 0045 0890 5366 00, BIC: COBADEFFXXX
Dafür herzlichen Dank.

Die Redaktion