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Politik, Gesellschaft & Übergänge

Alte & Weise: Theodore Dalrymple

Original post is here eklausmeier.goip.de/wendt/2022/05-15553.


Von Alexander Wendt / / alte-weise, spreu-weizen / 5 min Lesezeit

„Das, was ein Intellektueller am wenigsten ändern will, sind seine Ansichten, und was ein Politiker am wenigsten ändern möchte, ist seine Politik.“

Theodore Dalrymple

6 Kommentare
  • A. Iehsenhain
    20. Mai, 2022

    Als ehemaliger Gefängnisarzt kennt er neben dem physischen Kerker anscheinend auch den inneren des Menschen…

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  • Thomas
    20. Mai, 2022

    Ein Sommernachtstraum

    Da spricht der Psychiater, naja. Sich mit der medizinischen Diagnose, Behandlung oder Erforschung von psychischen Störungen zu beschäftigen, ist ja nur eine Seite der Medaille.

    „Das, was ein Intellektueller am wenigsten ändern will, sind seine Ansichten, und was ein Politiker am wenigsten ändern möchte, ist seine Politik.“

    Gut gebrüllt, Löwe.
    Es stellt sich da die Frage, ob Anthony Daniels (besser bekannt unter seinem Pseudonym Theodore Dalrymple) seine Philippika gegen Le Corbusier noch einmal so schreiben würde, wie er es getan hat («Die Welt», 16. Oktober 2011 ).
    Und wenn ja, warum. 🙂

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    • A. Iehsenhain
      21. Mai, 2022

      Der Text in «Der Welt», auf den Sie hinweisen, ist absolut hinreißend. Wenn Le Corbusier noch nicht tot wäre, könnte man glatt meinen, er ist heutzutage in Südtirol aktiv, wo ähnliche Kriegsschauplätze zwischen dem Landesdenkmalamt hinsichtlich «Ensembleschutz» und wachstumswilligen Kommunen entstanden sind. Da steht dann neben der gotischen Kirche plötzlich eine Aussegnungshalle, die an eine Autobahn-Toilette im Inntal erinnert. Zuschüsse für energetische Sanierungen, die es dort schon lange gab, bevor Deutschland damit anfing, tragen das ihrige dazu bei, schöne alte Bauernhäuser in eckige Polystyrolkartons zu verwandeln; man kann dort Le Corbusiers jenseitiges Lachen aus den Tiefen des Kellers erschallen hören. Vielleicht hätte Dalrymple in obigem Zitat den Intellektuellen weglassen sollen, da sich damit nur wieder der Politiker hinter jemand verstecken kann…

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      • Thomas
        25. Mai, 2022

        Ein Sommernachtstraum

        Sie schreiben:
        #Der Text in “Der Welt”, auf den Sie hinweisen, ist absolut hinreißend.#

        Ja.
        Das stimmt, und das ist ja auch der Sinn einer Philippika. Gekonnt ist eben gekonnt.

        Die Leute machen lieber weiter „wie bisher, als sich einzugestehen, einen schrecklichen Fehler gemacht, geschweige denn, ein Verbrechen begangen zu haben“. Da hat Theodore Dalrymple in seinem Text Recht, meine ich. Andererseits versteigt er sich dann in die politische Dämonologie, anstatt bei der politischen Ästhetik und Architektur zu bleiben. Beispielsweise nehme ich ihm nicht ab, daß er Breiviks 1500 Seiten wirklich gelesen hat. Einen ganzen Kim Il-Sung schon eher. 🙂
        Er wäre besser bei Fakten geblieben, beispielsweise war Le Corbusiers Villa Savoye in Poissy zwar nach seinen fünf Regeln der modernen Architektur entworfen und gebaut worden, das Haus brachte dem Architekten Ruhm und Ehre ein, es aber schon wenige Jahre später aufgrund massiver Baumängel nicht mehr bewohnbar.

        Daß die Corbusiers dieser Welt putzmunter sind, sehe ich auch so. Nicht nur in Südtirol. Ich teile aber eben seine politischen Deutungen nicht:

        • „Seine Architektur war unmenschlich, sein Denken totalitär, seine Zerstörungswut Ausfluss europäischen Selbstekels. Eine Philippika gegen Le Corbusisier. – „Was die Zerstörung des städtischen Erbes Großbritanniens angeht, ist die deutsche Luftwaffe verglichen mit den Nachkriegsjüngern und -bewunderern Le Corbusiers ein Haufen tölpelhafter Amateure gewesen.“

        Nun, was die Architektur in den Groß- und Kleinstädten in Deutschland betrifft, ging die britische Luftwaffe bekanntlich über das Treiben „tölpelhafter Amateure“ weit hinaus. Immerhin verbrannten, zerfetzten, töteten und verstümmelten sie dabei „Nazis“. Heißt es.

        • „Wie heißt das Leiden, dessen architektonisches Symptom Le Corbusier und sein Ruhm sind? Sicher kann man sich nicht sein, doch vermute ich, dass es der europäische Selbstekel am Ende des Ersten Weltkriegs war, nur noch verstärkt von den Ereignissen, die darauf folgten.“

        Nach meinem Dafürhalten ist es eher die europäische Angst und der europäische Hass (Angst-Hass), der viel lieber mit seinen riesengroßen Zeigefingern auf die „German Angst“ zeigt, als sich einzugestehen, selbst den schrecklichsten aller Fehler zu machen: Die Kunst des Möglichen zu verachten („think big“).

        #Vielleicht hätte Dalrymple in obigem Zitat den Intellektuellen weglassen sollen, da sich damit nur wieder der Politiker hinter jemand verstecken kann…#

        Vielleicht.
        Dalrymple hat kluge Texte geschrieben, Er muss das schreiben, was er denkt. Ist ein Text klug, dann ist das der günstige Fall. Und natürlich muss er nicht das schreiben, was mir in den Kram passt. Das ist ja der Witz an der Sache. Mit Licht und Schatten ist es eben so eine Sache. Hellsehen und Gedankenlesen kann eben auch der Herr Daniels nicht. Das haben wir wohl gemeinsam. Immerhin.

        Ich meine, daß die meisten Menschen im Gemüt nicht dem Bösen zuneigen, allerdings haben sie es dort, im Gemüt, sehr gerne bequem. Manche brauchen dazu Beton. Eitelkeit, Schnaps, Angst oder Hass wären dann eine andere Geschichte.

        Mit freundlichen Grüßen
        Thomas

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  • Libkon
    21. Mai, 2022

    Die Frage stellt sich für mich automatisch: Warum sollen ausgerechnet sog. Intellektuelle nur ungern ihre Meinung ändern wollen? Kann es sein, dass sie «gerne» Recht behalten wollen, um jeden Preis, weil sie in Wahrheit unsicher sind, bzw. herrschsüchtig? Vernünftig ist es jedenfalls keineswegs.

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    • Siegfried Vocasek
      22. Mai, 2022

      Ich denke so: Dass es hier gar nicht um „vernünftig“ geht. Und Psychologe hin oder her – beschreibt er nicht einfach einen erlebten Iststand? Der vielleicht bei „Intellektuellen“ besonders ins Auge fällt – aber keineswegs ihr Alleinbesitz ist.
      Das würde bedeuten: Es könnte ja eine gewisse Neigung sein, die allzu menschlich ist. Also schlicht uns alle betrifft. Aber nicht alle bauen das auch noch kräftig aus, mit überragendem Selbstbewusstsein.
      Nehmen wir nur mal an, da wäre was dran. Wäre das so schlimm? Würde uns diese Erkenntnis nicht tatsächlich weiter bringen? Heraus aus mancher Sackgasse?

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Original: Alte & Weise: Theodore Dalrymple

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