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Politik, Gesellschaft & Übergänge

„Asozial“ – ein toxischer Begriff macht wieder Karriere

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In Vor-Corona-Zeiten galt das Wort aus guten Gründen als belastet. Jetzt kommt es vielen Wohlmeinenden gerade recht, um die Hysterie in der Impfdebatte noch ein wenig zu steigern

Von Redaktion / / politik-gesellschaft / 18 min Lesezeit

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Von Jürgen Schmid

Im besten Deutschland, das wir jemals hatten, scheint es zum guten Ton zu gehören, unbescholtene Bürger zu beleidigen und zu kriminalisieren – vor allem in der Impfdebatte.

Leute, die nicht einsehen, dass nur „Impfen aus der Pandemie führt“ (Karl Lauterbach), erfahren, dass es sich bei ihnen um „Bekloppte“ (Joachim Gauck), Blinddärme (Sarah Bosetti vom ZDF), Geiselnehmer (Lauterbach), Tyrannen (Frank Ulrich Montgomery) und „gefährliche Sozialschädlinge“ (der FDP-Politiker Rainer Stinner) handelt.

Wer geglaubt hat, es gäbe keine Steigerungsmöglichkeiten sprachlicher Enthemmung mehr, muss sich eines Schlechteren belehren lassen. Kürzlich meinte der Arzt Marc Hanefeld, bekannt durch Auftritte in NDR, ZDF und in anderen Medien, seinem hippokratischen Eid dadurch gerecht zu werden, dass er Ungeimpfte als „enthirnt“ und „asozial“ beschimpft:

Eine Twitter-Einlassung, wie sie charakteristischer nicht sein könnte: Jemand geht in seinem Hass auf eine Gruppe, die im Einklang mit dem Grundgesetz handelt, aber nicht das tut, was dieser Jemand für richtig hält, so weit, die Abweichler als „enthirnt“ zu beleidigen. Kritik an seinem öffentlich zur Schau gestellten Hass bezeichnet er als Hass, ohne seinen Hass zu relativieren. Im Gegenteil – er legt nach, und zwar mit einem besonders toxischen Begriff: asozial.

Der Twittermob kennt nur einen Betriebsmodus: hysterische Dauererregung, deren einziger Zweck es ist, sich in endlosen Spiralen weiter aufzuschaukeln. Diejenigen, deren Twitter-Äußerungen durch die Vervielfältigung in den Medien moralisch zertifiziert werden, versuchen, die Skala in immer krassere Eskalationsstufen zu verschieben – und wundern sich dann, dass sich die derart Beschimpften durch die Beschimpfungen nicht überzeugen lassen.

Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery etwa empfahl das demokratische Überzeugungsinstrument der „Peitsche“, um „Impfverweigerern“ Einsicht beizubringen. ÖVP-Politikerin Juliane Bogner-Strauß denunzierte dieselbe Gruppe als „Todesengel“, womit sie Menschen, die selbst darüber bestimmen wollen, welche Substanzen sie ihrem Körper zuführen, mit Mördern gleichsetzt. Und nun wird also der schwer kontaminierte Begriff des „Asozialen“ reanimiert. Hier lohnt ein Blick in die Sprachgeschichte.

Im Jahr 2015 erklärte der Deutschlandfunk das Wort „asozial“ als „Nazi-Begriff“, eingesetzt zur „Stigmatisierung“ von Bettlern, Landstreichern, Fürsorgeempfängern, den sogenannten „Arbeitsscheuen“. In der DDR galt als „asozial“, wer „als Saboteur am Aufbau des Sozialismus empfunden“ wurde, also im Grunde jeder, der politisch Oppositioneller war, ja schlimmer noch: „Wer unangepasst war, wurde als Asozialer abgestraft“.

Interessant ist, wie das Wort „asozial“ vor seiner Instrumentalisierung in zwei deutschen Diktaturen verwendet und verstanden wurde: nämlich analytisch statt normativ. Der Historiker Wolfgang Ayaß zitiert dazu Sigmund Freud, der den Traum als „asozial“ begreift, „weil man ihn nur für sich alleine hätte“. Asozial diente also ursprünglich schlicht als Synonym für „individuell“.
Wegen seines Bedeutungswandels in der NS-Zeit galt der Begriff „asozial“ in der Vor-Corona-Zeit als sprachliche Diskriminierung von Minderheiten. Der Psychologe Ulrich Hermannes beklagte etwa, der Begriff diene der „Ausgrenzung“, operiere mit dem „Pauschalvorwurf der unberechtigten Teilhabe am Volksvermögen“.

Beinahe komisch wirkt in Zeiten des Corona-Krieges, in dem die Überzeugungskämpfer keine Gefangenen machen, eine Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2015: „Auch in der Bundesrepublik wurden jene, die am Rande der Mehrheitsgesellschaft standen stigmatisiert. Und werden es bis heute.“
Sogar noch am 8. März 2021, als die Impfkampagne schon Fahrt aufgenommen hatte, mahnte die Süddeutsche Zeitung: „Warum der Begriff ‚asozial’ problematisch ist“.

Aber schon kurz nach dieser inneren Einkehr, am 14. Juli 2021, ließ Nils Minkmar im selben Blatt schweres Geschütz donnern, als er erklärte: Eine „Verweigerung [der Corona-Impfung] ist asozial“ –
und damit den Rat seiner Kolleginnen in den Wind schlug, die befanden: „Bis heute geht das Wort ‚asozial’ vielen Menschen sehr leicht über die Lippen. Angesichts der NS-Geschichte dieses Ausdrucks wirkt das erstaunlich.“ Um so mehr, als selbst eine ganze Reihe anderer Begriffe ohne Diktaturhintergrund heute als „stigmatisierend“ gelten – zumindest dann, wenn sie nicht gerade gegen Impfgegner eingesetzt werden.

Schon vor Jahren störte sich die Nationale Armutskonferenz an einem Wort wie „alleinerziehend“, das auf die Liste der „Sozialen Unwörter“ gesetzt wurde, um es aus dem Sprachgebrauch zu verbannen.
Begründung: „’Alleinerziehend’ sagt nichts über mangelnde soziale Einbettung oder gar Erziehungsqualität aus – beides wird jedoch häufig [da]mit assoziiert“. Ein Wort, das völlig neutral einen Sachverhalt beschreibt, wird subjektiv als wertend empfunden – und anschließend wird die zugeschriebene Wertung, die das Wort gar nicht enthält, beklagt. In dieser Logik ist sozial, wer auf den Begriff „alleinerziehend“ verzichtet, dafür aber Mütter, die ihre Kinder alleine erziehen, ohne sich eine Corona-Impfung verpassen zu lassen, als „Asoziale“ etikettiert.

Als Speerspitze sprachlicher Gerechtigkeit verstehen sich die „Formulierungshilfen für die Berichterstattung im Einwanderungsland“ aus dem Labor der „Neuen Deutschen Medienmacher“:

„Deutsche“ und „Migranten“ bzw. „Ausländer“ gibt es in dieser perfektesten aller (Sprach)Welten nicht, weil solche Begriffe in unterkomplexer Manier von Intoleranz zeugen würden, rassistisch ausgrenzten und letztlich Hass säten. Die „Formulierungshilfen“ kennen dafür „Deutsche mit deutscher Herkunft, sprich Herkunftsdeutsche“, korrekt auch benennbar als „Copyright-Deutsche“ und / oder „Standard-Deutsche“ – und unterscheiden von diesen „Deutschen ohne Migrationshintergrund“ (früher: „Einheimische“) alle „Diverskulturellen“, abgekürzt „Dikulturellen“ bzw. „Mehrheimischen“, als „Menschen mit internationaler Geschichte“ oder auch „Deutsche mit Einwanderungsgeschichte“ bzw. „Einwanderungsbiografie“, die die (inzwischen schon nicht mehr ganz so korrekten) „Deutschen mit Migrationshintergrund“ sprachlich ablösen sollen, welche in die „multikulturelle Aufnahmegesellschaft“ aufgenommen wurden.

Was aber machen die „Neuen Deutschen Medienmacher“, wenn sie feststellen, dass viele „Bürger mit Einwanderungsbiografie“ die Corona-Impfung ablehnen? Sind diese „Mehrheimischen“ dann auch „Enthirnte“, die wie ein „Blinddarm“ aus der „multikulturellen Aufnahmegesellschaft“ entfernt werden müssen, weil es sich um „Asoziale“ handelt?

Es ist schon mehr als bemerkenswert, wenn eine vorgeblich hochsensible Wortklauber-Sekte keinerlei Probleme damit hat, Menschen völlig unterkomplex mit einem Begriff wie „asozial“ zu belegen. In der sprachsensibelsten und tolerantesten Gesellschaft, die sich wohlmeinende Bürger und Bundespräsidenten vorstellen können, kehrt ein alter NS-Begriff zurück: Und keiner der einschlägigen Twitter-Moralwächter scheint sich daran zu stören.

Wie sozial sich die Corona-Bekämpfer selbst verhalten, sollte angesichts des Vorwurfs der Asozialität, mit dem sie Andere belegen, nicht außer Acht gelassen werden. Welchen Beitrag zur Gemeinschaft ein Kind zu leisten imstande ist, das von hysterischen Eltern und Erzieherinnen jahrelang darauf konditioniert wurde, sich selbst vor allem als Lebensgefährder zu sehen, wenn es die Maske mal kurz unter die Nase zieht, weil es dann für den Tod von Oma und Opa verantwortlich sein könnte, muss die Zukunft zeigen. Die übervollen Kinderpsychiatrien geben heute schon einen deutlichen Fingerzeig.
Und warum die Maßnahmen, mittels derer alte Menschen in Altenheimen isoliert und dem einsamen Sterben überlassen wurden („zu unser aller Sicherheit“) gemeinschaftsbildend gewesen sein sollen – das kann wahrscheinlich nur ein Menschenfreund wie Karl Lauterbach erklären.

Jürgen Schmid ist Historiker und freier Autor. Er lebt in München.

12 Kommentare
  • A. Iehsenhain
    8. April, 2022

    Herr Hanefeld soll sich doch der österreichischen Facebookgruppe «Ärzte versus Covid-19» anschließen, in denen u. a. ein gewisser Dr. Marten Széll verkehrt (vielleicht verwandt mit Dr. Christian Szell aus «Der Marathon-Mann»?!). Laut «Wochenblick.at» berichtete «einer der Ärzte über einen Patienten, der zwei Monate nach dem Stich mit Johnson & Johnson unter einer halbseitigen Gesichtslähmung litt. Der menschenverachtende Kommentar von Dr. Széll lautete, man solle die nächste “Impfung” auf der anderen Seite vornehmen, dann wäre das Gesicht wieder symmetrisch». Man könnte die friedensstiftende Zwischenmenschlichkeit des Corona-Zeitalters auch mit einer Strophe aus einem Lied der legendären Prog-Rock-Band Dr. Z auf den Punkt bringen:
    «Set your fellow man against his friend
    Torment him till the end».

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  • Helene
    8. April, 2022

    Um nur einen Aspekt aufzugreifen: Das einsame Sterben in den Corona-Jahren dürfte wohl in einem Land, das sich nicht im Krieg befindet, mit zum Inhumansten gehören, das man sich vorstellen kann.
    Wie konnte das zugelassen werden? Ich war im Jahr 2019 im Krankenhaus und wurde operiert. Es kam zu einer Komplikation, die potentiell lebensbedrohlich war. Was war ich froh, daß mir das nicht 2020 passiert ist. Denn ohne die Besuche meines Mannes wäre ich (seelisch) eingegangen.
    Und auch im letzten Jahr dachte ich: Hoffentlich muß keiner von uns ins Krankenhaus. Was für ein Irrsinn, daß man das Krankenhaus nicht als letzte Rettung, sondern als Gefahr ansieht!

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  • Joseph
    9. April, 2022

    Der Begriff „asozial“ hat einzig und allein den Zweck jemand auszugrenzen. Wer dieses Wort wählt, tut es um den Angesprochenen gedanklich aus der Gesellschaft auszuschließen. Denn nur so lassen sich weitere Schritte wie z.B. Zwangsmaßnahmen rechtfertigen, die eigentlich gegen Recht und Anstand verstoßen. Und nur so kann man sich der notwendigen Rückendeckung derer gewiß sein, die nicht aus der Gesellschaft verbannt wurden. Es ist also ein Mittel um Menschen gegeneinander aufzuwiegeln.

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  • Karl Heinz Nusser
    10. April, 2022

    Die Frage, die man sich seit 2 Jahren regelmäßig stellt, ist, «was kann man konkret tun?»
    Auch wenn ich mir keine Hoffnungen mache:
    Ich habe soeben an die zuständige Ärztekammer von Dr. Haneveld die Anfrage formuliert «ist seine Hetze noch konform mit seinem Standesrecht?». Der Antidiskriminierungsstelle in Berlin habe ich seine «Hetze» gemeldet. Eine Strafanzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft geht noch raus. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, Hetze gegen die «Bösen» ist keine Hetze. Der Rechtsstaat ist schon lange zu einem Sammelbecken von sich außerhalb des Rechts befindlichen Ideologen verkommen.

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  • Frank Danton
    11. April, 2022

    Seit es ‘soziale Medien’ gibt, und diese so genannt werden, war mir instinktiv klar, dass ich dort niemals aktiv werden würde. Sozial ist für mich die direkte Interaktion. Denn nur in dieser kann ich sozial handeln. Der Begriff, ‘soziale Medien’ war mir schon suspekt. Medien, zumal virtuelle, können keine soziale Funktion haben. Zumindestens im klassischen Sinne. Da die Menschen ganz offensichtlich mit der Zivilisation überfordert sind war vorrauszusehen, dass mit diesen Plattformen ein Kriegsschauplatz eröffnet wird. Man hält sich dort nicht auf mit Recherchen oder Empathie, sondern betreibt semianonyme Haltungsagitation. Zumindest Berichte wie der obrige bestätigen, dass dort die zivilisatorischen Fortschritte noch mehr abgebaut werden und man zum Barbarischen neigt. Während ein großer Teil der User diese virtuelle Welt als Schauplatz von Exhibitionismus und Nihilismus verstehen, der eine öffentliche Penetranz niederer Instinkte gleichkommt, so verstehen andere diesen digitalen Äther als Pinnwand für ihre verkümmerte Persönlichkeit. Es hat sich wohl schnell eine Dynamik entwickelt in dieser Welt, eine zwanghafte Dynamik. Sobald man sich dort einloggt scheint sich die Persönlichkeit entscheiden zu müssen. Was man dort schreibt oder anklickt untersteht nicht mehr dem freien Willen, sondern ist Produkt der eigenen Konditionierung. Es hört sich vielleicht arrogant an, aber in den ‘sozialen Medien’ scheint die Interaktion, in ihrem Resultat ein Rückschritt in der Evolution zu bedeuten. Ein Stinner oder Hanefeld würden wahrscheinlich bei einem Vortrag über ihr Fachgebiet nie solche Niedertracht in den Mund nehmen, aber dort, wo offensichtlich der Intellekt virtuell Pause macht reden sie sich um Kopf und Kragen. Ich kann mich als nicht-User natürlich irren. Meiner Meinung nach sind die Menschen noch lange nicht bereit solche Technik zu ihren Gunsten zu nutzen. Man sieht in Medien, Politik und Gesellschaft, dass man sehnlichst versucht wirklich Alles in eine kindliche Vereinfachung zu interpretieren. Also uns unsere hochtechnisierte Welt mit den Mitteln primitivem Schubladendenkens und grobmotorischen Handelns zu entwöhnen. Zwischenmenschlich gesehen sind diese Medien nicht nur eine Überforderung, sondern ein Rückschritt für die geistige Entwicklung.

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  • Thomas
    11. April, 2022

    Wehrhafte Doppelmoral als politisches Zeichen

    Es ist schon mehr als bemerkenswert, wenn eine vorgeblich hochsensible Wortklauber-Sekte keinerlei Probleme damit hat, Menschen völlig unterkomplex mit einem Begriff wie „asozial“ zu belegen. In der sprachsensibelsten und tolerantesten Gesellschaft, die sich wohlmeinende Bürger und Bundespräsidenten vorstellen können, kehrt ein alter NS-Begriff zurück: Und keiner der einschlägigen Twitter-Moralwächter scheint sich daran zu stören.

    Die politische Agitation grüner, roter und anderer Geschäftsmodelle hat riesengroße Zeigefinger, brauchen aber keine Ohren. Wozu auch. Die Darmausgänge dieser Apparate aus der real existierenden Sozialwissenschaft haben es längst geschafft, in den Massenmedien Begriffe wie „asozial“, „rechts“ oder „Nazi“ in Bedeutungen zu deformieren, die im Grunde für alle politisch Widerspenstigen gelten, die der Bewegung im Wege sind. Das hat die Institutionen West längst durchdrungen. Ist dann einer der Widerspenstigen erledigt, dann kommt der nächste dran. Bis es kein Zurück mehr gibt (Juncker). Es geht zu, wie beim Marsch über die osteuropäische Ebene, geduckt und leise, leise.

    Zwar haben „Pack“, „Spinner“, „Ars…öcher“, „Hassprediger“, „Bekloppte“, „Asoziale“ oder „Idioten“ zunehmend verstanden, wer damit eigentlich gemeint ist. Im Gewitter der Worte nützt ihnen das aber nichts.

    Übrigens ist „asozial“ ja noch harmlos. Im Zuge des politisch korrekten Hasses dürfen Menschen nicht nur als „asozial“ bezeichnet werden, oder als „Ratten“ (wo es Rattenfänger gibt, da gibt es auch Ratten), oder als „Hunde“ oder „Köter“ (wo es „Hundeclan“ und „Köter-Rasse“ gibt, da gibt es auch „Hunde“ und „Köter“).
    Das gilt aber eben nur dann, wenn es die politisch Widerspenstigen trifft – das wären dann heute praktisch die „Politischen“ (siehe oben). Was nun die Relativierungskiste der NS-Geschichte betrifft, dürfen sich dort ganz offensichtlich eben nur politisch korrekte Moralwächter politisch korrekt bedienen;

    wenn derlei Berechtigung beispielsweise mit „Hitler“, „Auschwitz“, „KZ“ oder eben „Nazi“ wie mit Keulen um sich schlägt. In Realation zu setzen ist nämlich dann kein „Relativieren“, wenn es „gegen rechts“ geht. Offen nachlesbar erklimmen logische Purzelbäume aus der Zeilenzunft dann zirkusreife Höhen. Und wenn gar nichts mehr hilft, dann läuft derlei Schwachsinn zur Not noch unter dem Motto: „Ich will doch nur spielen, ich tu doch nichts“.

    Aber das ist ja interessant:
    In einem deutschen Sozialismus galt die Farbe Grün tatsächlich mal als Farbe für Berufsverbrecher?! Oho! Nun, das wäre heute wahrscheinlich sehr anders, denn heute sitzen grüne Berufslügner in den großen Sendeanstalten und politische Berufsverbrecher in den Verfassungsorganen. Dort wird heute peinlich genau darauf geachtet, die politisch richtigen Zeichen zu setzen. Die Doppelmoral dieser Gesinnungsakrobatik hat eine gewisse Frau „Sargnagel“ (!) mal sehr wacker ausgedrückt:

    “künstler dürfen aaalles – nazis dürfen nix! Humanismus ätschibätsch”. https://www.zeit.de/2017/14/burschenschaft-hysteria-wien-matriarchat-stefanie-sargnagel/komplettansicht
    Übrigens wurde das Wahlalter für den Landtag in Baden-Württemberg kürzlich von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt.

    Nach meinem Dafürhalten erwächst diese Doppelmoral aus der Narrenfreiheit der Baeren, Böcke oder Sargnägel dieser Welt, wenn sie beispielsweise mit ihren selbstgebastelten Pflugscharen vor den Köpfen in den politischen Gegenden der Erwachsenen herumstolzieren und mit Tränen in den Augen deklamieren:

    „How dare you!“
    Und die Delegierten wiegen dann nachdenklich die Köpfe, was sie denn nun falsch gemacht haben. Tja. Wie können sie es wagen, diese „asozialen Subjekte“. Wie könne sie es wagen. Gute Frage.

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  • Jochen Schmidt
    11. April, 2022

    Am Ende des obigen Artikels heißt es:

    «Und warum die Maßnahmen, mittels derer alte Menschen in Altenheimen isoliert und dem einsamen Sterben überlassen wurden („zu unser aller Sicherheit“) gemeinschaftsbildend gewesen sein sollen – das kann wahrscheinlich nur ein Menschenfreund wie Karl Lauterbach erklären.»

    Hierzu ein Hinweis: Es gibt eine Studie aus den USA, in der teure Altenheime mit billigen Altenheimen verglichen werden. Hier das Ergebnis in Bezug auf die Sterberate der Insassen:

    «Preventing COVID-19 cases and deaths may come at some cost, as high-quality homes have substantially higher [ ! ] non-COVID deaths. The positive [ ! ] correlation between establishment quality and non-COVID mortality is strong enough that high-quality homes also have more [ ! ] total deaths than their low-quality counterparts and this relationship has grown with time. As of late April 2021, five-star homes have experienced 8.4 percent more [ ! ] total deaths than one-star homes.»

    https://doi.org/10.1016/j.jhealeco.2022.102592

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  • Kukkste
    13. April, 2022

    Grad heute in der Straßenbahn.

    Mehrfach die Aussage eines etwas rappeligen Kindes gefallen: «ich will ja kein Corona kriegen!» – Ich kann nicht sagen, dass es sonderlich hysterisch klang. ES sollte da auch nicht soviel reininterpretiert werden.
    Die Konstrukte der Angst, die Elterngenerationen um die Herzen der Kinder als Mauern gegen die Selbstentfaltung errichten und errichtet haben, um ihre eigenen Ängste zu bekämpfen oder mit gängigen Gesellschaftsmythen über die Kinder Kontrolle im protectiven Sinne auszuüben oder um nur Macht auszuüben, nah am Kindesmissbrauch gebaut. Das ist ja nicht neu.
    Solche Kinder-Angst-mach-Geschichten gab es zu allen Zeiten.
    Kinder, die von ihren Eltern in Angst und Bange gehalten werden wegen der eigenen elterlichen Unfähigkeit oder Undenkbarkeit einer freiheitlichen explorativen Entwicklung Raum zu geben, hat es auch nicht erst seit heute. Eltern vererben eben auch einen Teil des sozialen Horizonts, des mehr oder minder unreflektierten Zeitgeistes. Eltern können nicht anders als die Kinder zum Teil dessen werden zu lassen, was sie selbst erleben. Das ist Normalität.

    In diesem Sinne ist diese spezielle Beobachtung ihrer augenblicklichen Akzente beraubt, einfacher als soziales Rahmenprogramm einer Zeit nachvollziehbar – Es war nicht besser die Kinder in die Schützengräben des Ersten, und Zweiten Weltkrieges gehen zu lassen oder in HJ und FDJ mitmarschieren zu lassen.
    Genauso marschieren anderswo im gleichartigen Muster anderer entfernter Kriege und Kämpfe für oder gegen Freiheit für oder wider Unterdrückung die Kinder in den Fußstapfen ihrer Erzeuger oder derer, die ihrer Habhaft werden können.

    Auch in den heute eher mit und über sozialem Kapital sozialer Macht ausgetragenen Konflikten wie auch in der Ausgrenzungsideologie von heute werden die Kinder entsprechend nach den Wünschen und Ängsten ihrer Erzeuger oder nach den Begehrlichkeiten der vermeintlichen Befreier von lechtsrinks Ökofaschos oder Technokraten, Bewahrern oder Revolutionären vor den Karren gespannt. Um-V-Erzogen für die Zwecke der vermeintlich Erwachsenen als besseres Werkzeug zum Zweck.

    Nichts Neues unter der Sonne.

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  • pantau
    15. April, 2022

    «Es ist schon mehr als bemerkenswert, wenn eine vorgeblich hochsensible Wortklauber-Sekte keinerlei Probleme damit hat, Menschen völlig unterkomplex mit einem Begriff wie „asozial“ zu belegen.»

    Michael Klein von sciencefiles nennt diese Typen «Tugendwedler», angelehnt an Nietzsches «Moralonanisten». Für mich die schlimmste Sorte Mensch, denn sie sind nicht einmal ehrlich verroht, sondern tarnen sich mit dem Gegenteil und täuschen damit oft auch sich selbst.

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  • Jens Richter
    19. April, 2022

    Lingua Quartii Emperii: Klemperer, nur leicht angepasst.

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  • Thomas
    21. April, 2022

    Worte machen Karriere

    Der «Asozialenparagraph 249» ermöglicht es der DDR-Führung, Menschen zu inhaftieren, die sich der Pflicht zum Arbeiten widersetzen. Eine Verurteilung wegen «Asozialität» hat dramatische Folgen für die Betroffenen – und oft auch für ganze Familien.
    https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/asozialenparagraph-arbeitslos-opposition-arbeitslager-zwangsadoption-100.html
    Übrigens ist der «Asozialenparagraph» natürlich keine neue Erfindung der DDR. In der DDR wurde so gut wie nichts neu erfunden.

    Dieter Süverkürp hat „Die Kunst, Andersmeinende für den Sozialismus zu gewinnen“ mal sehr trefflich besungen.
    https://www.youtube.com/watch?v=EkSJCThmWds

    🙂

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Original: „Asozial“ – ein toxischer Begriff macht wieder Karriere

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