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Fake-Nuss: SPD-Fraktionschef verbreitet Falschbehauptungen über die AfD

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In einem Interview mit der Welt am Sonntag äußert sich der Chef der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich zu dem Attentat von Halle und der AfD

Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 9 min Lesezeit

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Darin bringt er gleich zwei Falschbehauptungen unter. Zum einen unterstellt er, der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner habe einen Tweet weitergeleitet, dessen Urheber sich „abfällig über die Opfer von Halle“ geäußert hätte.

Mützenich:
„Die AfD ist zu großen Teilen für das rechtsradikale, völkische und antisemitische Klima bestimmter Milieus mitverantwortlich. Wenn das AfD-Mitglied Stephan Brandner als Vorsitzender des Rechtsausschusses ganz bewusst einen Tweet verbreitet, der sich abfällig über die Opfer von Halle äußert, dann zeigt es, dass es überhaupt keine Schranke des Anstandes in der AfD gibt.“

Der AfD-Politiker Brandner hatte nach dem Angriff von Stephan Balliet auf die Synagoge von Halle und seinem Mord an zwei Menschen eine Twitternachricht kommentarlos weitergeleitet, die lautete:
„Kapier ich sowieso nicht: Die Opfer des Amokläufers von Halle waren
-Jana, eine Deutsche, die gern Volksmusik hörte
– Kevin S., ein Biodeutscher.
_Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?“
_
Abgesehen davon, dass „in Moscheen“ schon sachlich falsch und „herumlungern“ in diesem Zusammenhang entgleister Sprachgebrauch war, wurde Brandner kritisiert, weil in dem Tweet, den er weiterverbreitet hatte, explizit von „Deutschen“ beziehungsweise „Biodeutschen“ gesprochen wurde – so, als wären die Juden in der Synagoge, dem ursprünglichen Anschlagsziel, keine Deutschen gewesen. Publico beziehungsweise Tichys Einblick gehörten zu den ersten Medien, die Brandner dafür kritisierten. Tichys Einblick und Publico konfrontierten ihn mit dem Vorwurf, eine Aussage mit antisemitischem Ton weitergetwittert zu haben. Der AfD-Politiker räumte ein, ihm sei die antisemitische Stoßrichtung nicht aufgefallen; er sei erst jetzt dafür „sensibilisiert“. Vergangene Woche entschuldigte er sich explizit dafür.
Nur: Anders als von Mützenich behauptet, äußert sich der Urheber des von Brandner verbreitete Tweets eben nicht „abfällig“ über die beiden Opfer von Halle Jana L. und Kevin S.. Entweder hatte Mützenich überhaupt nicht verstanden, worum es in der Debatte über den Tweet ging – oder er verbreitet bewusst die Unwahrheit.

In dem gleichen Welt-Interview sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende:
„Solange Alexander Gaulands Begriff des ‘Vogelschisses“’für die zwölf Jahre der Nazi-Diktatur nicht öffentlich zurückgenommen wird, so lange kann die AfD nicht erklären, sie wolle jüdisches Leben in Deutschland. Das ist schlicht nicht glaubhaft.“
Die implizite Behauptung, Gauland halte bis heute an der „Vogelschiss“-Bemerkung über die NS-Zeit fest, ist ebenfalls nachweislich falsch.

In einem Interview mit Focus im Dezember 2018 (Ausgabe 50/2018) wird Gauland auf diesen Punkt angesprochen:
„FOCUS: Sie stecken nicht nur ein, sondern teilen auch aus, zuweilen benutzen Sie auch Begriffe, die extrem polarisieren – etwa ‘Vogelschiss’ für die NS-Diktatur. Tut Ihnen das heute leid?“
Gauland antwortet:
„Der Vogelschiss war ein Fehler. Ich suchte in der Rede eine völlig verachtungsvolle Metapher für den NS. Das ist mir weggerutscht. Ich habe nicht bedacht, dasx ‚Vogelschiss’ eben ein Begriff für eine Lappalie ist. Das war nicht, wie mir immer wieder unterstellt wird, eine gezielte Provokation.“

Dass Gauland den Nationalsozialismus nicht verharmlosen wollte, ergibt sich auch aus dem Text der damaligen Rede, in dem es unter anderem heißt:
„Liebe Freunde, denken wir immer daran, dass ein deutscher Jude, Ernst Kantorowicz, den Ruhm des Stauferkaisers beschrieben hat. Nein, der Islam gehört nicht zu uns. Unsere Vorfahren haben ihn 1683 vor Wien besiegt. Aber das deutsche Judentum von Ballin und Bleichröder über Rathenau und Kantorowicz war Teil einer deutschen Heldengeschichte, die Hitler vernichten wollte. Liebe Freunde, uns muss man nicht vom Unwert des Nationalsozialismus überzeugen.“

Fazit: Mützenich operiert mit zwei falschen Aussagen über die AfD.

12 Kommentare
  • Wanninger
    20. Oktober, 2019

    Ihre Bemühungen, die Angelegenheit aufzuklären, ist aller Ehren wert, Herr Wendt, besonders dass Sie den AfD-Abgeordneten Brandner auf die fatale Wirkung des tweets hingewiesen haben. Wenn die Empörungsmaschinerie rund um die Uhr auf vollen Touren läuft, fruchten solche Analysen allerdings wenig. Es geht da doch nicht mehr um Bedeutungsnuancen, sondern nur noch darum, den Erregungszustand immer weiter zu befeuern. Ob da gewisse Aussagen in dem oder dem Zusammenhang so oder so gedeutet werden müssen – wen interessiert das noch? Es hört doch kaum einer noch richtig zu. Die endlose Aneinanderreihung der rhetorischen Versatzstücke des «Kampfs gegen Rechts» ist so ermüdend, dass die meisten einfach abschalten. Ist ja auch so gewollt. Es war doch abzusehen: nach kurzem Aufatmen darüber, dass der Attentäter kein islamistischer Terrorist, sondern ein deutscher Rechtsextremist ist, wird tagelang eine Breitseite nach der anderen auf die AfD abgefeuert. Dass man da einen Zusammenhang herstellen kann, «geistiger Nährboden», Höckes Brandreden, die Duldung von Holocaustleugnern in der Partei, ist nun ja auch nicht ganz falsch. Nun ist die Welt wieder so, wie man sie gerne sehen möchte. Da muss man sich dann auch keine Gedanken über den Antisemitismus der Linken machen.

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  • Christoph
    21. Oktober, 2019

    Vielleicht nehmen das auch einmal hoch anerkannte Tageszeitungen zur Kenntnis, statt auch dieselben «Vogelschiss-Parolen» genauso, wider besseres Wissen, zu verbreiten.

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    • Bernd
      8. November, 2019

      Der Hass wird nur aufrecht erhalten um DEUTSCHE zu demütigen und zu brandmarken um immer und immer wieder den Finger in die Wunde zu legen; DEUTSCHE sind Nazis .
      Meine Enkel, meine Kinder und ich sind keine Nazis, aber die aus der BRD und einige Gutmenschen können nicht anders. Sie bezahlen ja dafür Ihre Partei mit Geld, um dann diese Nazi-Thesen wohlweislich verbreiten zu müssen.
      Nicht Eine/er hat von denen einen Goldjungen oder einen Facharbeiter in persönlicher Obhut und Pflege, nicht Eine/er.

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  • KritikererHG
    21. Oktober, 2019

    Mit Wortklauberei von der Gesinnung von Brandner und Gauland ablenken und verharmlosen zu wollen, ist das ungewollte Eingeständnis geistiger Nähe zum Gedankengut dieser Personen und ihrer Partei. Dies disqualifiziert Wendt, der sich gerne als neutralen Kritiker kritikwürdiger Umstände und Meinungen darzustellen beliebt, als Person und Journalist . Wenigstens wissen die Leser jetzt, mit wem sie es hinter der Fassade der geschriebenen Worte bei Wendt zu tun haben.

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    • B. Pittti
      22. Oktober, 2019

      Ja, nee, is klar! Bemühungen um präzise Erfassung des Sachverhalts und treffende Begriffe sind einfach nur Wortklauberei. Locker laufen lassen mit klaren Ansagen, dann versteht sich alles wie von selbst (https://youtu.be/WIslELNY_Qk).

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  • Jens Richter
    21. Oktober, 2019

    Ihre Richtigstellungen der alltäglichen, unerträglichen Verzerrungen gehört zu dem Feinsten, was deutscher Journalismus heute zu bieten hat. Ich fühle mich von Ihnen immer gut informiert. Danke.

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  • Großheim Jürgen
    21. Oktober, 2019

    Da wollte jemand wohl etwas bewußt falsch verstehen. Oder man muß schon ziemlich doof sein. Und das ist der jemand sicher nicht.m

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  • Dreggsagg
    21. Oktober, 2019

    Es wundert nichts mehr.
    Die SPD ist in ihrer Untergangspanik drauf und dran, den Kopf zu verlieren.
    Klar, der Brandner hat sich da vergalloppiert, passiert bei den AfDlern leider viel zu oft. Brandner, den ich an sich wegen seiner klaren Sprache schätze, hat sich entschuldigt, aber wie schon Adenauer wußte (sinngemäß), man kann behaupten, was man will, etwas bleibt immer hängen.
    Der AfD kann nur geraten werden, nicht so viel Angriffsfläche zu bieten, denn die etablierte Merkel-Blockpartei setzt alles daran, die AfD zu diffamieren und das, obwohl die AfD das Ergebnis falscher Politik nicht nur Merkels ist.

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  • Bernd Zeller
    21. Oktober, 2019

    Für die SPD ist nun mal «deutsch» oder «biodeutsch» abwertend. Etwas sozisensibler bitte!

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  • Sabine Schönfelder
    21. Oktober, 2019

    Zwei glatte Lügen, eindeutig belegt, um eine Partei zu diskriminieren (als Antisemiten) und zu diskreditieren. WIR WARTEN AUF IHRE ENTSCHULDIGUNG, HERR MÜTZENICH.
    Ich denke vergeblich. Die Wahlergebnisse beider Parteien am nächsten Wahlabend werden diesem Herren demonstrieren, was die Bevölkerung über solche verlogenen Äußerungen denkt. Der arme Tölpel.

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  • Hei-Ke
    21. Oktober, 2019

    …und immer noch wird auch völlig aus dem Zusammenhang gerissen, bzw. falsch dargestellt/interpretiert, dass mit diesem Ausdruck eben nicht diese 12 Jahre währende (verdammenswerte) Unzeit gemeint war, sondern die Zeitspanne an sich im Verhältnis zur geschichtlichen, insgesamt vergangenen Zeit.

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  • Simon Wandler
    21. Oktober, 2019

    Danke. Wohltuend, dass in diesem ganzen verlogenen Geblöke der merkelunterwürfigen, anti-AFD-hetzenden Medienschaffenden einer eisern bei der Wahrheit bleibt.

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Original: Fake-Nuss: SPD-Fraktionschef verbreitet Falschbehauptungen über die AfD

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