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Politik, Gesellschaft & Übergänge

Wochenrückblick: die Habeckkatastrophe – ein kurzer Abriss

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Von Alexander Wendt / / politik-gesellschaft / 11 min Lesezeit

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Der SPIEGEL erschien am vergangenen Samstag mit dem Bild eines leichtverquollenen Mannes mit Bart um den Mund und der Titelzeile „Schutzlos“.

Auf den flüchtigen ersten Blick sah es so aus, als hätte sich das Blatt, statt von der Schneekatastrophe in Bayern zu schreiben, des Falls Magnitz angenommen, also des Bremer AfD-Politikers, der, um mit der taz-Schreiberin Veronika Kracher zu reden, von Unbekannten zusammengelatzt worden war, weil #NazisRaus nun einmal unabdingbar Handarbeit bedeutet. Beim zweiten Hinsehen erkannte der potentielle Käufer, dass es sich bei dem Schutzlosen um Robert Habeck handelte. Zum einen waren ihm wie vielen anderen auch nicht besonders gut gesicherte persönliche Daten entwendet worden, zwar nicht von professionellen Hackern, sondern von einem zwanzigjährigen Schüler ohne Vorbildung. Zum anderen – und das hebt den Grünenvorsitzenden aus der Masse heraus – wurde er auch noch Opfer von Twitter. Habeck hatte in einem Video versprochen, zur Landtagswahl am 27. Oktober Thüringen zu befreien. Im Detail klang das so:

„Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land.“

So ähnlich hatte er sich schon vor der Bayernwahl zu Bayern geäußert. Im Fall Thüringens übersah er allerdings, dass es sich schon um befreites und durchdemokratisiertes Territorium handelt, die Grünen regieren dort seit 2014 zusammen mit einer Splitterpartei unter einem Ministerpräsidenten der Linkspartei. Über das Privileg, gar nicht mehr zu wissen, wo sie überhaupt mitregiert, verfügt die Splitterpartei nicht, das nur nebenbei.

Robert Habeck jedenfalls fragte sich vor 80 Millionen Deutschen, wie ausgerechnet ihm dieser Fehler unterlaufen konnte, und kündigte dann an, künftig auf Twitter und Facebook zu verzichten, denn diese Technik, vor allem Twitter, das hatte er herausgefunden – oder der Zwanzigjährige Datenamateur hatte es ihm gesagt – Twitter mache ihn aggressiv. Er verließ also, um mit A. Merkel zu reden, Neuland.

Ein gewisser logischer Bruch tut sich da auf, denn seine Befreiungsankündigung für Thüringen resp. den Osten hatte er ja auf Video gesprochen, bei Twitter handelte es sich nur um den Verbreitungsweg. Eigentlich hätte er also versprechen müssen, für alle Zeiten Kameras zu meiden, er hätte mit Marlene Dietrich sagen können: I have been photographed to death. Aber das wäre schließlich Moralmaximalismus gewesen, und das auch noch auf eigene Kosten.

Mit dieser Entscheidung jedenfalls – nicht der Kameras zu meiden, sondern der anderen – schaffe es Habeck sowohl auf die Titelseite der taz als auch auf das Cover des SPIEGEL, und auf letzteres nicht mit der Zeile „Das Ende von Twitter, wie wir es kennen“, sondern eben: «Schutzlos».

Robert Habeck ist nicht nur, wie letzte Woche ausgezählt wurde, so genannter Talkshowkönig 2018, außerdem Journalistenkanzler und schutzlos, sondern auch, wie fast alle Journalisten in ihren Porträts schreiben, Philosoph und Schriftsteller. Von ihm stammen Sätze wie: „Im öligen Morgenlicht schwamm das Meer “ („Hauke Haiens Tod“) oder „Aus den anderen Zimmern hörten wir die Kinder schlafen. Hanna atmete so lautlos wie immer.“ („Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf“). Eros (R. Habeck) und Thanatos gehen also solidarisch Hand in Hand. Trotzdem blieb Habeck von der Literaturkritik bisher unberührt, allerdings auch von der Carl-Zuckmayer-Medaille, die erst einmal an Robert Menasse für die beste Zitatfälschung geht, als nächstes an Takis Würger für den besten Arztroman, der im Dritten Reich spielt, oder an Veronika Kracher („Sommerhaus, zusammengelatzt“), und im übernächsten Schritt vielleicht an den berühmtesten Ex-Mitarbeiter, den der Spiegel je hatte. Zu diesem Kandidaten („sieh da, sieh da, Timotheus/die Enten des Relotius“*) empfiehlt Publico eine luzide Anmerkung von Wolfgang Röhl).

Um auf die Schutzlosigkeit zurückzukommen, die Technikfalle: Konkret in die Falle der Übermotorisierung tappen übrigens auch und gerade in Berlin viele junge Fahrer, die mit ihrem Dreiauspuff-BMW schneller über 50 Meter des Kudamms oder der Yorckstraße kacheln, als sie Wasgucksdu sagen können. Wenn Robert Habeck im Licht seiner Erfahrung diese jungen Männer oder auch nur einen einzigen Gerechten unter ihnen davon überzeugen könnte, sich ebenfalls des aggressivmachenden Verführers zu entschlagen, dann hätte er Deutschland (beziehungsweise Berlin, aber immerhin) ein Stückchen besser gemacht. Diese Bewährungsprobe, wie Medienschaffende gern schreiben, steht bei ihm noch an bzw. aus.

Eine, die in der Literatur- , Journalistenpreis- ,Haltungs- resp. Magazincoverbranche auch noch etwas abzubekommen hat, musste sich in der vergangenen Woche übrigens in den Hintern gebissen haben, ihren Abschied von Facebook seinerzeit nicht deutlicher gewürdigt zu haben, aber jetzt nicht mehr dabei zu sein, wo dort gerade der Wahnsinn abgeht:

Wobei es auch auch auf S. Cheblis Twitteraccount hoch her geht; dort meldet sich öfters die Bento-Schreiberin Hatice Ince unter ihrem lustigen Twitter-Alias HatinJuce, was, wie sie schon einmal erklärt hatte, natürlich nie und nimmer ein witziges Hating Jews bedeutet.

Da bleibt Sawsan Chebli eigentlich nur die Hoffnung, anlässlich der nächsten Instrumentalisierung eines zusammengeprügelten AfD-Politikers durch die AfD ihren Facebook-Wiedereinstieg per Video und/oder im Olympiastadion zu verkünden.

Übrigens, den Gender Pay Gap in der Aufmerksamkeitsökonomie thematisieren, auch das muss noch erledigt werden, fragt sich nur, von wem zuerst. Von Publico, wie der Autor eben selbst merkt.

Da haben Veronika Kracher, Sawsan Chebli, Sophie Passmann und Margarete Stokowski leider das Nachsehen.

  • Zitiert nach: Michael Klonovsky, Acta diurna
11 Kommentare
  • oldman
    14. Januar, 2019

    Schutzlos ? Dieser Oberstdemokrat ? Ein Glück, dass solche Schwätzer, die vom Mainstream hochgeschrieben und hochgejubelt werden, sich in grandioser Selbstüberschätzung beizeiten selbst ein Bein stellen, ist ja nicht einmal das erste Mal. Hoffentlich bleibt das nicht nur eine Weile im Gedächtnis !

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    • Rettungsengel
      15. Januar, 2019

      Die Ausbeutung der Armen kann nicht dadurch beseitigt werden,
      dass man einige Millionäre zugrunde richtet, sondern indem man den wirtschaftlich Schwachen Wissen bringt und sie lehrt, mit den Ausbeutern nicht zusammenzuarbeiten.
      Mahatma Gandhi

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  • Gerhard
    14. Januar, 2019

    In der genannten Ausgabe vom 12. 01.2019 widmet der Spiegel doch glatt zehn Seiten, 14 – 23, dem «staatszersetzenden, demokratiegefährdenden Datenklau».
    Den gar so bösen Hackern, die ungeniert die ach so sensiblen und überaus wichtigen Geheimnisse, der armen, Schutzlosen, von noch böseren Rassisten und allerbösesten Nazis furchtbar bedrohten Polit,- und Medienpromis, heimtückisch bei Nacht und Nebel, für alle sichtbar ins Netz stellen.
    Für die Relotiuspresse gibt es also im noch so jungen Jahr 2019 nichts Wichtigeres, als sich über Hacker und Trolle, die «Politik und Gesellschaft zersetzen» auszulassen.
    Dabei gäbe es über genügend magazinfüllende Nachrichten, Katastrophen, und sonstige Geschehnisse zu berichten.
    Habe den «Spiegel» vor Jahrzehnten als bestes deutschsprachiges Nachrichtenmagazin kennengelernt. Doch was dort seit fast zehn Jahren, belehrend und dozierend, publiziert wird, hat mit Nachrichten nichts mehr zu tun. Schon gar nicht auf sachbezogener, neutraler Ebene.
    Fast schon erschreckender Niveauverlust.

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    • Heinz Kettner
      16. Januar, 2019

      Gerhard Du hast wie immer zu 100% recht. Es geht mit Deutschland wirklich nur noch bergab und das in jeder Beziehung.

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  • Hein Tiede
    14. Januar, 2019

    Gestern durfte sich Harbeck auf das Rote Sofa des NDR setzen, um von 18.45 bis 19.30 Uhr zusammen mit Frau Tietjen seine links-grüne Weltsicht zu präsentieren. Für H. lohnen sich die GEZ-Gebühren jedenfalls.

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  • Jens Richter
    14. Januar, 2019

    Aufgepasst, ihr Überfallenen, Vergewaltigten, Gemesserten, Überfahrenen, Enthaupteten und Angezündeten: So geht schutzlos! Lieber Herr Habeck, ich wünsche Ihnen baldigste Genesung. Mir ist bewusst, dass ein derartiges Trauma oft ein Leben lang nicht bewältigt werden kann, dass man in der Nacht aufschreckt und halluziniert, von einem Untier gefressen worden zu sein, dass man sich plötzlich auf Titelbildern sieht. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie viel Kraft.

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  • Christian BC Jansson
    15. Januar, 2019

    In diesen Tagen beginnt der Prozess gegen den (eher: einen der) Vergewaltiger und Mörder von Susanna F., die tatsächlich (physisch und mental) schutzlos war, als sie von unseren «Eliten» einem Haufen «Menschengeschenke» ausgeliefert wurde… und das ist nur ein Beispiel unter vielen anderen, wo es um echte Schutzlosigkeit geht.

    Wie kann ein auch nur rudimentär gesunder Verstand sich zu der Behauptung versteigen, Habeck sei «schutzlos» gewesen? Wie kann man so vermessen sein?

    Es ekelt mich – da geht es mir wie Danisch und Klonovsky – einfach alles nur noch an.

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  • Dreggsagg
    15. Januar, 2019

    Wieder mal ein grandioser Artikel!
    Danke, Herr Wendt.
    Dieser Habeck mit dem Schwiegermutters-Liebling-Gesicht hat schon derart viel Bockmist abgesondert, daß es ihn schmerzen müßte bis auf die Knochen.
    Das tumbe deutsche Wahlvolk aber beschert diesen Grünlingen satte Umfragewerte.
    Da ist die Baerbock, Annalena, die Stromleitungen für Energiespeicher hält; da ist der Habeck, der kein deutsches Volk kennt und mit Deutschland noch nie was anfangen konnte und schreien stetig «Populismus», was nichts anderes bedeutet, als dem Volk auf’s Maul zu schauen, ihm zuzuhören.
    Es gibt auch noch diese unsägliche Dame Roth bei den Grüninnen, die hinter Plakaten mit der Aufschrift «Deutschland, du mieses Stück Scheiße» hermarschiert und danach zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt wird.
    In welchem rotbunten Irrenhaus leben wir?

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  • Lisa_N
    15. Januar, 2019

    Danke für Ihre witzige, entlarvende und zutreffende Zusammenstellung!
    Apropos «leicht verquollen»: Ja, das dachte ich mir auch schon des öfteren. Nun, es gibt viele medizinische Gründe für ein leicht verquollenes Gesicht, auch für eine leicht verwaschene Aussprache. Das Leben als Politiker, der sich Tag und Nacht aufopfernd und selbstlos um die Rettung der Welt bemüht, ist sicher extrem aufreibend und enorm anstrengend. (Kein Vergleich mit dem läppischen und entspannenden Alltag einer schichtarbeitenden Pflegekraft auf der Intensivstation eines unter Sparmaßnahmen leidenden Krankenhauses oder eines alleingelassenen Lehrers in einem der sozialen Brennpunktviertel, die wir ja eigentlich in Deutschland nicht haben.) Vielleicht ist es aber auch nur der Ischiasnerv? Wer weiß!

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  • Peter Müller
    15. Januar, 2019

    Mit großer Betroffenheit, Wut und auch Empörung habe ich vernommen, was Frau Chebli und Herr Habeck derzeit erleiden müssen.
    Schon schlimm, dieses Internet und diese sozialen Netzwerke.
    Zum Glück hat der Gilderoy Lockheart der deutschen Politik treue Freunde in den Medien (also in denen mit
    «Haltung»). Die sorgen dafür, dass selbstBorniertheit, Eitelkeit, Selbstüberschätzung und Überheblichkeit dem Manne noch zum Vorteil gereichen. Sofern eine Titelgeschichte in der «Bild am Montag» (jetzt Samstags) ein Vorteil ist.
    Und Frau Chebli findet sicherlich genug Zuspruch neben ihrer anstrengenden Tätigkeit für «internationale Beziehungen» (oder Politik?) im Berliner Senat.

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  • Max Mertens
    17. Januar, 2019

    Zu Habbi fällt mir nur Albernes ein, z. B. zu seinem ungeschützen Titel eines Philosophen:
    «Der Filisoff sein Solo pfiff.»

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Original: Wochenrückblick: die Habeckkatastrophe – ein kurzer Abriss

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