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Politik, Gesellschaft & Übergänge

Wenn die Tagesschau meint

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Die ARD wirft ihren Zuschauern vor, Kommentar und Meldung nicht unterscheiden zu können. Lustig.

Von Alexander Wendt / / medien-kritik / 11 min Lesezeit

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In den öffentlich-rechtlichen Medien loben und beglückwünschen sich die Hierarchen gern gegenseitig. Zum 40. Jahrestag der Tagesthemen verfasste der Vize-Chefredakteur der Tagesschau Marcus Bornheim gerade ein überschwängliches Lob auf die Abendsendung („nach 40 Jahren immer noch so wichtig“).

Ein bisschen Kritik gab es auch: und zwar an den Zuschauern. Die, so Bornheim, verstünden auch nach 40 Jahren immer noch nicht den Modus der Tagesthemen-Kommentare. „Obwohl der Kommentar extra an- und abmoderiert wird, ist es für viele Zuschauer schwierig an dieser Stelle zu trennen: Zwischen ‚berichten’ und ‚kommentieren’.“

Könnte das vielleicht an der Praxis von Tagesschau und Tagesthemen liegen, ständig Bericht und Kommentar schon in scheinbar neutralen Stücken zu vermischen?

In den letzten Tagen des alten Jahres war es Bornheim selbst, der auf tagesschau.de in einer langen und wirren Erklärung begründete, warum die Nachrichtensendung nicht über die Tötung einer 15jährigen durch einen afghanischen Asylbewerber berichten würde. Damit hatte die Hauptnachrichtensendung der ARD zwar keine Meldung zu dem in ganz Deutschland diskutierten Fall veröffentlicht (und später nur eine 15-Sekunden-Mitteilung), dafür aber einen Kommentar auf ihrer Webseite, der sich allerdings nicht Kommentar nannte (Publico vom 30.12.17).

Auch in der Angelegenheit Beatrix von Storch vs. Twitter verbreitete die Tagesschau schon in ihrer Meldung die Meinung, der Tweet der AfD-Politikerin über die Neujahrsgrüße der Kölner Polizei auf Arabisch und Farsi sei „islamfeindlich“ gewesen.

War er allerdings nicht: mit dem Islam befasste sich die AfD-Frau in ihrer Zwitschermeldung gar nicht.

Die nächste verdeckte Kommentierung auf der ARD-Seite gab es fast schon parallel: Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer schlägt vor, vorgeblich minderjährige Flüchtlinge, die ihr Alter nicht nachweisen können und sich gegen eine medizinische Untersuchung sträuben, eben als Erwachsene zu behandeln.

Tagesschau.de kommentierte Palmers Vorstoß mit den weder als Kommentar noch überhaupt namentlich gezeichneten Sätzen:

„Sollte es bei der Altersfeststellung von minderjährigen Flüchtlingen eine Umkehr der Beweispflicht geben? Das bringt der Grünen-Politiker Palmer jetzt ins Gespräch.“

Schon die Formulierung „Altersfeststellung bei minderjährigen Flüchtlingen“ ist agitatorisch und obendrein faktischer Unsinn: Es geht ja gerade um Fälle, in denen die Minderjährigkeit zweifelhaft ist.

Und „Umkehr der Beweispflicht“? Ernsthaft? Wenn jemand eine staatliche Leistung beziehen möchte, die an eine ganz bestimmte Voraussetzung gebunden ist – in diesem Fall an eine Altersgrenze – dann besteht also nach Ansicht der Tagesschau eine Pflicht des Staates, dem Betreffenden nachzuweisen, dass er nicht berechtigt ist. Und es ist eine Beweislastumkehr, wenn derjenige, der etwas von den Steuerzahlern finanziert haben möchte, seine Anspruchsberechtigung nachweisen soll?

Nach dieser Logik könnte auch jeder einen Antrag auf Hartz IV stellen und gleichzeitig erklären beziehungsweise von Unterstützern erklären lassen, es sei ein unzumutbarer Eingriff in die Privatsphäre, seine eigene Arbeits- und Vermögenssituation offen zu legen.

Dass eine routinemäßige Altersfeststellung in Zweifelsfällen nicht zumutbar ist, dass ein junger und überhaupt ein illegal Eingereister gar nichts nachweisen muss – so lautet seit Jahren die Meinung von Migrationslobbyisten, etwa von Pro Asyl. ARD-Redakteure können das natürlich auch so sehen. Aber dann sollten sie einen Kommentar auf tagesschau.de veröffentlichen oder sich um einen Kommentarplatz in den Tagesthemen bemühen. An- und abmoderiert.

Dort müssten allerdings auch Kommentatoren zu Wort kommen, die den Streitpunkt so sehen wie die große Mehrheit der Gebührenzahler.

Auch gern von außen, wenn sich im Sender selbst niemand findet.

14 Kommentare
  • oldman
    3. Januar, 2018

    Danke für Ihre Zusammenfassung, absolut zutreffend. Das Oberlehrerverhalten der ARD findet eben nicht nur in als Kommentar erkennbaren Sendungen statt, Themenauswahl, «Darbietung» , Körpersprache und Mimik der Damen und Herren Präsentatoren in der sogenannten «reinen Nachrichtensendung» künden vom Erziehungsauftrag. Meldungen enthalten praktisch regelmäßig Wertungen.
    Um meine Nerven nicht täglich unnötig zu strapazieren bin ich zunehmend dabei , ARD- und ZDF-Abstinenz zu üben, was Nachrichten betrifft, es gibt Gott sei Dank auch noch andere Informationsquellen. Von den sogenannten (Polit)-Magazinen der Öffentlich-rechtlichen will ich lieber gar nicht reden.

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    • Aviator
      4. Januar, 2018

      Muss diesem Kommentar uneingeschränkt zustimmen! Leider! Es betrifft alle ÖR «Nachrichtenportale» aber auch Wissenschaftsmagazine. Selbst früher von mir sehr geschätzte Sendeformate wie z.B. Quarks & Co., Lesch Kosmos oder im Hörfunk z.B. WDR 5 «Leonardo» sind weitestgehend zu mainstreamkonformen, belehrenden «Staatsfunk» Organen verkommen welche keine abweichenden Betrachtungen der Dinge mehr dulden. Auch ich übe zwischenzeitlich Abstinenz. Aber was juckt es die Programmdirektoren bei ZDF/ARD!? Sie fühlen sich im Recht bzw. auf der «guten» Seite! Die Gebühren werden weiter per Gesetzt fällig und abgebucht. ca. 8,5 Millarden jährlich! Wo wird das hinführen?

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    • kdm
      4. Januar, 2018

      Die merken das garnicht mehr, weil sie das schon immer so machen. Das ist für die ARD/ZDF-Nachrichten-Mischpoke (sorry) alltägliche Normalität.
      Wenn «das Volk» (die GEZ-Zahler) das jetzt bemerkt, ist das zwar recht spät, aber immer noch gerechtfertigt; vor allem, wenn die von uns zwangsweise hochbezahlten Wichtigtuer Meinungs-Schmuggler das abstreiten, ja: sogar das Gegenteil der offensichtlichen Wahrheit (hier oben sind ja ein paar Beispiele genannt) verkünden.
      .
      Die machen das nicht bösartig, die SIND einfach so. Die können nicht anders. «Das haben wir doch schon immer so gemacht» (ja, auch ’33-’45 und DDR).

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  • Aufbruch
    3. Januar, 2018

    In Deutschland setzt sich immer mehr eine selbstvernichtende Tendenz durch. In diesem Land hat sich eine Migrantenkriminalität etabliert, gegen die sogar die Politei machtlos ist. Und der Staat schaut zu. Menschen, die sich das nicht länger gefallen lassen wollen und dagegen ihren Protest erheben, werden der Fremdenfendlichkeit und der Volksverhetzung bezichtigt. Der eigene Bürger, der schon länger hier lebt, wird verfogt und angezeigt, während unsere «Gäste» in vielen Fälen ungechoren davon kommen. Ein Staat, der sich eines solchen Zweiklassen-Rechts bedient, wird untergehen. Das Schlimme bei all dem ist das Verhalten unserer Mainstream-Medien, die das alles mitmachen und dem Bürger nichts als Sand in die Augen streuen. Das muss aufhören. Daher muss Merkel weg.

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  • Robert Meyer
    3. Januar, 2018

    Jedes Wort, jeder Satz ein Treffer! Danke dafür.
    Genau dieses Problem der fehlenden Trennung zwischen Bericht und Kommentar wird in den Rundfunk- und Medienstaatsverträgen und in den Landespressegesetzen exakt zu regeln sein. Von der Ausgewogenheit noch gar nicht angefangen.

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  • Roland K. Jäger
    3. Januar, 2018

    Was nützt es wenn Merkel weg ist und die Mitläufer weiterhin in der Regierung sitzen und mit lallen dürfen?

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  • Burkhard Minack
    3. Januar, 2018

    Wenn ich als deutscher Steuer- und Abgabenzahler staatliche Leistungen in welcher Form auch immer erhalten will, muß i c h nachweisen, daß ich dem Grunde und der Höhe nach Anspruch darauf habe.
    Wenn meine Nachweise nicht wasserdicht sind, erhalte ich nix aus dem, noch nie so prall gefüllten…, großen Topf, den ich zuvor jahrzehntelang mitbefüllt habe und auch weiterhin mitbefüllen muß!
    «Umkehr der Beweispflicht…», daß ich nicht lache! Erzählen wir das mal einem deutschen Hartzer oder Rentner, der seinen Antrag stellt und seine Unterlagen tippitoppi parat haben muß…
    Was passiert denn wirklich aktuell? Interessiert sich der Bessermensch ehrlich für den «edlen Fremden» oder den «minderjährigen Flüchtling»?
    Der Geldhahn ist geöffnet und fließt seit ein paar Jahren reichlich und ohn` Unterlaß in Richtung deutsche Asyl-und Sozialindustrie, Lagerhallen- und Schrottimmobilien-Vermieter sowie Migrations- und ähnliche «Experten» und andere Geschwätzigkeitswissenschaftler.
    Und beim honorigen Pampern der Fremden mit dem Volksvermögen geht es nicht ums Gutsein, sondern ausschließlich darum, daß sich Deutsche auf Kosten von Deutschen die Taschen füllen- und daß diese Quelle nicht so schnell wieder versiegt!
    Die zwangsfinanzierten Sender füllen sich die Taschen nicht nur voll (das Jahres-Budget ist größer als das aller Hollywood-Produktionen d.J. zusammen) sondern hauen uns, die wir löhnen müssen, nach Feierabend auch noch täglich sozusagen verbal die Taschen voll.
    Die Verkommenheit der Verharmloser, Lügner und vorsätzlicher Nichtstuer steht der der Täter in nichts nach. Ich befürchte, die lassen das auch nicht von allein.
    Nun denn: Der Deutsche hat zwar eine lange Leitung, aber nur eine kurze Lunte.

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  • Seppelfricke
    3. Januar, 2018

    Tagesschau und Tagesthemen gebaren sich zusehends wie damals der Sudel-Ede. Wäre gar nicht soooo schlimm, wenn denn wenigstens alle darum wüssten wie diese agitatorischen Sendungen zu „lesen“ sind. Leider leben in diesem Land einfach noch zu viele Menschen in ihren Blasen.

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  • Hermann Willaredt
    3. Januar, 2018

    Manchmal steckt sicher auch bodenlose Dummheit dahinter, der Vorsatz, nämlich die Volksverdummung ist jedoch unverkennbar.

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  • Andreas Ullrich
    4. Januar, 2018

    Von einer Nachrichtensendung erwarte ich umfassende und transparente Berichterstattung. Kommentare haben meiner Meinung nach überhaupt nichts in einer Nachrichtensendung zu suchen. Ein Nachrichtensprecher soll Nachrichten sprechen und sonst nichts. Wenn sich zum Beispiel ein Klaus Kleber zu persönlichen Statements zu bestimmten Themen hinreißen lässt, finde ich das bedenklich und unangebracht. Wen interessiert bei den Tagesthemen schon die persönliche Meinung eines Klaus Kleber? Wenn er gern im Mittelpunkt stehen möchte, soll er sich in eine politische Talk-Sendung einladen lassen und dort seine Statements abgeben. Dort kann er dann wenigstens auch ein direktes Feedback erfahren…..ob Zustimmung oder auch Gegenwind.

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  • Kirchfahrter Archangelus
    4. Januar, 2018

    Ein Phänomen, welches aus der DDR bekannt war: Der Standpunkt hatte „parteilich“ zu sein, Fakten mußten in die (u.U. täglich wechselnde) Parteischablone eingepaßt werden. Die Leser- bzw. Zuhörerschaft wurde gezielt indoktriniert und ihr – bei Mißfallenskundgebungen – gerne „fehlende Reife“ attestiert. Unvermeidbar, wenn Journalisten nicht reale Fakten präsentieren (und dann auch kommentieren), sondern „die Wahrheit“ predigen. Bei letzterem kommt es nicht nur nicht darauf an, dass die Leser selbst reflektieren, sondern es muß vermieden werden.
    Allerdings sollte man hier auch den Kontext berücksichtigen (vgl. https://kirchfahrter.wordpress.com/2017/03/01/kulturelle-hegemonie-und-mediale-beeinflussung/, sonst wird der Kommentar unziemlich lang 😉 )

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  • w.schmid
    5. Januar, 2018

    Ich fordere eine Umkehr der Beweispflicht bei den GEZ-Steuern: Die Sender müssen beim Inkasso nachweisen, dass ich ihr Programm auch wirklich ansehe…

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  • ordo ab chao
    5. Januar, 2018

    Die grenzdebilen der ÖR schließen halt von sich selber auf uns andere! Wir aber sind Selberdenker!
    Projektion, Schizophrenie, pathologische Psychosen sämtlicher Coleur werden von uns mit abgepressten Milliarden dazu auch noch finanziert!

    GEZ Boykott JETZT!

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Original: Wenn die Tagesschau meint

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