– Publico –
Politik, Gesellschaft & Übergänge

Organisiertes Wegsehen

Original post is here eklausmeier.goip.de/wendt/2017/12-organisiertes-wegsehen.


Bisher unternimmt die Berliner Polizei wenig, um sich vor krimineller Unterwanderung zu schützen. Ein CDU-Politiker fordert jetzt ersthafte Abwehrmaßnahmen

Von Samuel Horn / / politik-gesellschaft / 9 min Lesezeit

stdsize

Der 20jährige Autofahrer auf der Monumentenstraße in Berlin-Kreuzberg gab Gas und versuchte der Polizeikontrolle zu entkommen. Die Verfolgungsjagd endete an einem Sonntagmorgen in einem Hinterhof; die Beamten fanden auf der Rückbank des Fahrers mit türkischen Wurzeln insgesamt 38 Gramm Kokain und einen Beutel mit sauberem Urin, der üblicherweise von Rauschmittel-Usern benutzt wird, um Drogentests zu bestehen.

Unter „interessante Äußerung des Fahrers“ notierten die Streifenbeamten im Protokoll, der junge Mann habe sich ihnen als Beinahe-Kollege zu erkennen gegeben: Er sei Bewerber an der Berliner Polizei-Akademie und müsste nur noch den Sporttest bestehen.

Der Zufallsfang am letzten Novemberwochenende kommt vor allem für Berlins Polizeipräsidenten Klaus Kandt und seine Stellvertreterin Magarete Koppers ungelegen. Denn beide hatten sich noch kurz vorher bei einem Auftritt vor dem Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses festgelegt: Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Gruppen der organisierten Kriminalität gezielt Mitglieder in die Polizei einschleusen würden. Niemand kann bisher irgendetwas belegen, alle Hinweise sind anonym“, wütete Kandt.
Dabei gehört es eigentlich zur gängigen Polizeipraxis, anonymen Hinweisen nachzugehen.
Zwar hatte der Drogenkurier gegenüber den Beamten ein wenig übertrieben – nach Polizeirecherchen war er zu dem Zeitpunkt, an dem er geschnappt wurde, schon am Online-Test für Bewerber gescheitert. Fest steht aber: er versuchte, in den Sicherheitsapparat vorzudringen.
Spätestens seit diesem Vorfall stellt sich die Frage, ob sich andere Bewerber aus dem kriminellen Milieu möglicherweise längst erfolgreich unter die 1 200 Berliner Polizeischüler schmuggeln konnten. Der Verdacht existiert schon länger. Im vergangenen Jahr flog ein Polizeischüler mit arabischen Wurzeln auf, der mit Beutestücken aus professionellen Wohnungseinbrüchen handelte. Der allerdings legte es geradezu darauf an, erwischt zu werden: mit Aushängen in den Räumen der Akademie bot er seinen Kollegen neuwertige und günstige Kameras feil. Das wollten sich Fahnder dann doch einmal näher ansehen.

Nach Informationen aus Polizeikreisen befindet sich ein Mitglied des kriminellen kurdisch-libanesischen Miri-Clans als Anwärter auf der Akademie. Im November wies ein Ausbilder der Polizeischule in einem dramatischen Appell an die Behördenführung auf die große Zahl von Kadetten mit türkischem und arabischem Hintergrund hin, die ihm durch Disziplinlosigkeit, Lernfaulheit und türkisch-nationalistische Sprüche aufgefallen waren. Bei einigen hatte er den Eindruck, es eher mit Leuten aus dem kriminellen Dunstkreis als mit künftigen Staatsdienern zu tun zu haben. „Das sind keine Kollegen“, so der Ausbilder, „das ist der Feind in den eigenen Reihen.“ Die Behördenleitung müsse endlich aufhören, „sich dumm zu stellen.“
Aber genau das passiert. An der Spitze herrscht organisiertes Wegsehen. Bis jetzt weigern sich Polizeipräsident Kandt und seine Vertreterin Koppers, Polizeibewerber vor dem Ausbildungsstart einer wirklichen Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Ein sauberes polizeiliches Führungszeugnis genügt. Wer sich also nicht extrem ungeschickt anstellt wie der Hehler in Uniform und nicht am Wissenstest scheitert wie der zufällig geschnappte Drogenhändler, der kann eine Polizeikarriere antreten. Auch wenn er aus dem kriminellen oder islamistischen Milieu stammt.

Für Burkard Dregger ist das ein absurder Zustand. Der CDU-Parlamentarier im Berliner Abgeordnetenhaus und Innenexperte fordert im Gespräch mit Publico einen Check der persönlichen Hintergründe von Polizeibewerbern: „Ein sauberes Führungszeugnis allein darf nicht reichen“, so Dregger. „Es ist ja bekannt, dass kriminelle Clans darauf achten, bestimmte Mitglieder straffrei zu halten, um sie in Behörden einschleusen zu können.“ Das Argument, es wäre „Sippenhaft“, Bewerber allein wegen der Zugehörigkeit zu kriminellen Familien oder ihrem privaten Umgang mit Straftätern abzulehnen, lässt Dregger nicht gelten. „Ich bin bereit, eine Benachteiligung von manchen Bewerbern zu akzeptieren. Wer aus einem bestimmten Milieu kommt, der kann eben nicht Polizist werden“, findet der CDU-Mann. „Das trifft dann vielleicht auch jemand zu Unrecht. Aber trotzdem müssen wir alles vermeiden, was das Vertrauen in die Polizei untergraben könnte.“

Bisher scheint es so zu sein, dass die Berliner Polizeiführung das Thema großräumig meidet. Nicht nur bei dem Verdacht auf Verbindung zum OK-Bereich (Organisierte Kriminalität), sondern auch, wenn es um islamistische Aktivitäten geht. Vor kurzem meldete die ZEIT, ein Polizeischüler habe auf Facebook ein Werbevideo der terroristischen Hamas geteilt und Israel als „Terrorstaat“ beschimpft. Auch Publico hatte darüber berichtet. Auf die Frage von Publico, ob der Anwärter noch dabei ist, antwortete eine Polizeisprecherin: Wissen wir nicht.
„Da der anfragende Journalist der ‚Zeit’ keinen Namen des angeblichen Polizeischülers genannt hat und zudem erklärte, dass der Account inzwischen gesperrt sei, lässt sich seitens der Polizei nicht ermitteln, ob es sich hierbei wirklich um einen Auszubildenden der Polizeiakademie handelt“, erklärt die Behörde.
Allerdings schilderte die Zeitung den Fall sehr konkret. Die Unterstützung einer Terrororganisation ist übrigens generell nicht nur disziplinarrechtlich relevant, sondern auch strafbar. Ein paar Ermittlungsmöglichkeiten gäbe es also durchaus. Offenbar aber keinen wirklichen Aufklärungswillen.
Gut möglich also, dass ein radikaler Islamist in Berlin demnächst mit Uniform und Waffe seinen Dienst antritt.

10 Kommentare
  • Martin
    5. Dezember, 2017

    Anscheinend hatte die ZEIT die Information über den Facebookeintrag ja aus Kreisen der Polizei (wie sonst hätte die ZEIT herausfinden können, dass es ein Polizeischüler war). Dann kann man davon ausgehen, dass es da schon einen Dienstweg gab, bei dem ein Polizist an der Führung abgeprallt war. Frustrierend, wenn selbst der Weg über die Öffentlichkeit dann ohne Konsequenzen an der Führung im Sande verläuft. Nennt man das dann Chuzpe?

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • Seppelfricke
    6. Dezember, 2017

    Man gibt sich in Berlin alle Mühe Deutschland in weine wahrhafte Bananenrepublik zu überführen. Geduld, wir haben es bald geschafft.

    Auf diesen Kommentar reagieren

    • DerHofnarr
      6. Dezember, 2017

      Dieses Land ist schon seid geraumer Zeit eine Bananenrepublik. Die verantwortlichen Akteure gehen inzwischen nur so ungeschickt bzw. dreist vor, dass es immer mehr Menschen auffällt.

      Auf diesen Kommentar reagieren

  • Christopher Sprung
    6. Dezember, 2017

    Am Ende bleibt nur übrig: Berlin großräumig meiden und vom Bundesgebiet separieren. Es mögen separate Einflug- und Einfahrt- sowie entsprechende Ausflug- und Ausfahrtschneisen für Politiker und Medienleute sowie für Funktionäre und Familienmitglieder von islamischen Verbänden freigehalten und freigefräst werden. Für Touristen sanfte Flüge mit Ballons von Potsdam aus. Ansonsten an den Checkpoints Durchlass nur für Linksautonome und lokale Grün-und SPD-Bezirksspitzenpolitiker sowie für Personengruppen aus arabischen Ländern.

    Auf diesen Kommentar reagieren

    • Johann Leuckert
      7. Dezember, 2017

      Hört doch mal auf mit diesem billigen Berlin-Bashing! Schön, wenn ihr euch danach besser fühlt, aber mit der Faktenlage hat es wenig zu tun. Ich kenne keinen Hauptstädter, der diese Zustände gutheißt. Im Übrigen sind die Hauptverantwortlichen nicht aus Berlin – der unsägliche Kandt ist Schwabe, die Grüne Köppers kommt aus NRW und dort steppt der Problembär genauso: Polizist Mohamad al Zein ließ sich unlängst mit seinem Onkel, einer bekannten Unterweltgröße, auf Facebook ablichten, ein Freund und Helfer in Düsseldorf gab ein Bekenntnis zum radikalen Islam ab und führte seine beiden Mädchen vor, die im Kleinkindalter schon Tschador tragen müssen. Im Unterschied zu Berlin scheint es in NRW aber nicht einmal internen Widerstand zu geben, offenbar traut sich keiner zu plaudern. Möglicherweise ist die Unterwanderung dort ja schon weiter fortgeschritten.

      Auf diesen Kommentar reagieren

  • Orion
    6. Dezember, 2017

    «Bisher scheint es so zu sein, dass die Berliner Polizeiführung das Thema großräumig meidet»

    «MEIDEN» würde ich nicht sagen, da die Dienstzeit für diverse Einkäufe & Wurstbudenbesuche genutzt wird müssen zwangsläufig andere Dinge zurückgestellt
    werden.

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • DerHofnarr
    6. Dezember, 2017

    Kein Wunder, dass Hinweise in der Regel anonym sind. Wer Behördenstrukturen und ihre Abläufe kennt, Führungspersönlichkeiten wurden ja fast vollständig abgeschafft, kennt, weiß doch, dass der Fisch als erstes am Kopf stinkt. Die Schnittstellen zur Politik sind eng (Thema: Höherer Dienst und Parteibuch), der vorauseilende Gehorsam ausgeprägt. Jeder der nicht spurt wird aufs Abstellgleis gestellt. Eine Führungskultur die von Duckmäuser und Befehlsempfänger bestimmt wird, bringt auch nur Duckmäuser und Befehlsempfänger hervor. Es ist eine Tragödie.
    Noch viel schlimmer ist es, wenn diese Verwerfungen in der Justiz (Richter und Staatsanwälte) so richtig zum Tragen kommt. Da geht der kritische und unwillige Bürger noch schwierigen Zeiten entgegen.

    Auf diesen Kommentar reagieren

  • DerHofnarr
    6. Dezember, 2017

    Nur weil Facebook einen account sperrt heißt es doch noch lange nicht, dass die Daten weg sind.
    Sie sind nur dem öffentlichen Zugriff entzogen….. und keiner der da nachhakt….

    Auf diesen Kommentar reagieren

Original: Organisiertes Wegsehen

Liebe Leser von Publico: Dieses Onlinemagazin erfüllt wie eine Reihe von anderen Medien, die in den letzten Jahren entstanden sind, eine zentrale und früher auch allgemein selbstverständliche publizistische Aufgabe: Es konzentriert sich auf Regierungs- und Gesellschaftskritik. Offensichtlich besteht ein großes Interesse an Essays und Recherchen, die diesen Anspruch erfüllen. Das jedenfalls zeigen die steigenden Zugriffszahlen.
Kritik und Streit gehören zur Essenz einer offenen Gesellschaft. Für einen zivilisierten Streit braucht es gut begründete Argumente und Meinungen, Informationen und Dokumentationen von Fakten. Publico versucht das mit seinen sehr bescheidenen Mitteln Woche für Woche aufs Neue zu bieten. Dafür erhält dieses Magazin selbstverständlich kein Steuergeld aus dem Medienförderungstopf der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, kein Geld aus dem Fonds der Bundeszentrale für politische Bildung (obwohl Publico zur politischen Bildung beiträgt) und auch keine Überweisungen von Stiftungen, hinter denen wohlmeinende Milliardäre stehen. Ganz im Vertrauen: Publico möchte dieses Geld auch nicht. Die einzige Verbindung zu diesen staatlichen Fördergeldern besteht darin, dass der Gründer des Magazins genauso wie seine Autoren mit seinen Steuern dazu beiträgt, dass ganz bestimmte Anbieter auf dem Medien- und Meinungsmarkt keine Geldsorgen kennen. Es gibt nur eine Instanz, von der Publico Unterstützung annimmt, und der dieses Medium überhaupt seine Existenz verdankt: die Leserschaft. Alle Leser von Publico, die uns mit ihren Beiträgen unterstützen, machen es uns möglich, immer wieder ausführliche Recherchen, Dossiers und Widerlegungen von Falschbehauptungen anzubieten, Reportagen und Rezensionen. Außerdem noch den montäglichen Cartoon von Bernd Zeller. Und das alles ohne Bezahlschranke und Abo-Modell. Wer unterstützt, sorgt also auch für die (wachsende) Reichweite dieses Mediums.
Publico kann dadurch seinen Autoren Honorare zahlen, die sich nicht wesentlich von denen großer Konzernmedien unterscheiden (und wir würden gern noch besser zahlen, wenn wir könnten, auch der unersetzlichen Redakteurin, die Titelgrafiken entwirft, Fehler ausmerzt, Leserzuschriften durchsieht und vieles mehr).
Jeder Beitrag hilft. Sie sind vermutlich weder Claudia Roth noch Milliardär. Trotzdem können Sie die Medienlandschaft in Deutschland beeinflussen. Und das schon mit kleinem Einsatz. Der Betrag Ihrer Wahl findet seinen Weg via PayPal – oder per Überweisung auf das Konto 
(Achtung, neue Bankverbindung!) A. Wendt/Publico DE88 7004 0045 0890 5366 00, BIC: COBADEFFXXX
Dafür herzlichen Dank.

Die Redaktion